Dr. Harald Lemke-Küch, Dr. Michael Ch. Jakobs
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Das Vollstreckungshilfeersuchen ist zwingend abzulehnen, wenn die in § 87b IRG genannten Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht vorliegen. |
2. |
Voraussetzung für die Vollstreckung einer ausländischen Geldsanktion ist ferner das Vorliegen der in § 87a IRG genannten Unterlagen. |
3. |
Um den Vollstreckungshilfeverkehr von Bagatellverstößen freizuhalten, ist in § 87b Abs. 3 Nr. 2 IRG normiert, dass die Vollstreckung bei Unterschreitung einer 70-Euro-Grenze oder des entsprechenden Gegenwertes in anderer Währung unzulässig ist. |
4 |
§ 87b Abs. 3 Nr. 3 IRG normiert im Hinblick auf das in Art. 6 Abs. 1 EMRK niedergelegte Recht auf Zugang zu einem Gericht. |
5. |
Ist die ausländische Entscheidung in Abwesenheit des Betroffenen ergangen, ist die Vollstreckung der Geldsanktion u.a. nur zulässig, wenn der Betroffene oder ein befugter Vertreter über das Verfahren unterrichtet worden ist. |
6. |
§ 87b Abs. 3 Nr. 5 IRG enthält eine ne-bis-in-idem-Regelung. |
7. |
Nach der Regelung des § 87b Abs. 3 Nr. 6 IRG ist die Vollstreckung abzulehnen, wenn die der ausländischen Entscheidung zugrunde liegende Tat nach Maßgabe der §§ 3 ff. StGB, § 5 OWiG bzw. nach landesrechtlichen Vorschriften auch in der Bundesrepublik Deutschland hätte verfolgt werden können und zudem nach deutschem Recht Vollstreckungsverjährung eingetreten wäre. |
8. |
Die Vollstreckung ausländischer Geldsanktionen gegen in Deutschland strafunmündige Kinder verbietet § 87b Abs. 3 Nr. 7 IRG. |
9. |
Nach § 87b Abs. 3 Nr. 8 IRG kommt die Vollstreckung ausländischen Geldsanktionen ferner nicht in Betracht kommt, sofern im Falle einer (auch) im Inland begangenen Tat diese in Deutschland nicht straf- oder bußgeldbewehrt ist. |
10. |
Nach § 87b Abs. 3 Nr. 9 IRG ist die Vollstreckung unzulässig, wenn der Betroffene in dem ausländischen Verfahren keine Gelegenheit hatte einzuwenden, für die der Entscheidung zugrunde liegende Handlung nicht verantwortlich zu sein, |
Rdn 345
Literaturhinweise:
S. die Hinweise bei → Erwachsene, Geldsanktionen, ausländische, Allgemeines, Teil B Rdn 319.
Rdn 346
1.a) Das Vollstreckungshilfeersuchen ist zwingend abzulehnen, wenn die in § 87b IRG genannten Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht vorliegen (vgl. dazu Burhoff/Burhoff/Böttger, OWi, Rn 4364 ff.).
Rdn 347
b) Auch nach dem Rahmenbeschluss zur Vollstreckung ausländischer Geldstrafen und Geldbußen wird an dem Grundsatz der beiderseitigen Sanktionierbarkeit der Tat als Zulässigkeitsvoraussetzung festgehalten (§ 87b Abs. 1 IRG). Es ist daher grds. erforderlich, dass für die der ausländischen Entscheidung zugrunde liegenden Tat auch in Deutschland eine Strafe oder Geldbuße hätte verhängt werden können. Allerdings wird von diesem Grundsatz insoweit eine Ausnahme gemacht, als die beiderseitige Sanktionierbarkeit nicht zu prüfen ist, wenn die in Art. 5 Abs. 1 RbGeld abschließend aufgeführten und definierten Straftaten und Verwaltungsübertretungen (Ordnungswidrigkeiten) vorliegen ("Listenlösung"). Von den in der Liste genannten 39 Straftaten und Verwaltungsübertretungen kommt in der Praxis insbesondere dem 33. Punkt – "gegen die den Straßenverkehr regelnden Vorschriften verstoßende Verhaltensweise, einschließlich Verstößen gegen Vorschriften über Lenk- und Ruhezeiten und des Gefahrgutrechts" – besondere Bedeutung zu. Ein auf die Vollstreckung einer Verkehrsordnungswidrigkeit oder einer Verkehrsstraftat gerichtetes ausländisches Ersuchen kann danach nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass die zugrunde liegende Tat in Deutschland nicht straf- oder bußgeldbewehrt wäre. Allerdings hat die Bundesregierung bei Annahme des Rahmenbeschlusses dazu folgende – vom Rechtscharakter her allerdings zweifelhafte (vgl. Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, § 87b Rn 12) – Erklärung abgegeben: "Als entsprechende Zuwiderhandlungen werden nur Verstöße gegen Verkehrsregeln und Regelungen zum Schutz von Verkehrsanlagen angesehen, nicht hingegen allgemeine Straftatbestände oder Verstöße gegen allgemeine Ordnungsvorschriften. Als den Straßenverkehr regelnde Vorschriften sind insoweit nur solche zu verstehen, deren Schutzzweck die Sicherheit des Straßenverkehrs oder der Erhalt der Verkehrsanlagen ist." (Rats-Dok. 5871/05). Es sollen also keine Taten erfasst werden, die zwar mit dem Straßenverkehr in Zusammenhang stehen, deren Schutzgut jedoch nicht die Sicherheit des Straßenverkehrs, sondern darüber hinausgehende Zwecke sind. Dies hat nicht nur bedeutsame Auswirkungen auf die in vielen europäischen Ländern bestehende weitgehende Halterhaftung (vgl. dazu im Einzelnen → Erwachsene, Geldsanktionen, ausländische, Halterhaftung, Teil B Rdn 329), sondern bedeutet auch, dass die Prüfung der beiderseitigen Sanktionierbarkeit bei Delikten wie Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort oder Verstößen gegen die Versicherungspflicht bestehen bleibt.
Rdn 348
2. Voraussetzung für die Vollstreckung einer ausländischen Geldsanktion ist ferner das Vorliegen der in § 87a IRG genannten Unterlagen (Burhoff/Burhoff/Böttger, OWi, Rn 4364 ff.).
Rdn 349
a) Das au...