Dr. Harald Lemke-Küch, Dr. Michael Ch. Jakobs
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Wie bei der Vollstreckung von Freiheitsstrafen kann es bei der Betreuung von Maßregelvollzugspatienten sowohl um eine bedingte Entlassung aus der freiheitsentziehenden Maßnahme – Unterbringung – wie auch um die (Abwendung) des Widerrufs einer Strafaussetzung zur Bewährung gehen. |
2. |
Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt ist – zwingend – bereits von dem erkennenden Gericht zur Bewährung auszusetzen, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Zweck der Maßregel auch dadurch – durch die Aussetzung – erreicht werden kann (§ 67b Abs. 1 S. 1 StGB). |
3. |
Der Widerruf der Aussetzung zur Bewährung ist in § 67g StGB geregelt. |
4. |
Im Falle des Bewährungswiderrufes darf die Vollstreckung erst mit Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses beginnen; bis dahin kann jedoch ein Sicherungshaftbefehl nach § 453c Abs. 1 StPO erlassen werden. |
5. |
Nach § 67d Abs. 2 S. 1 StGB hat das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen, wenn zu erwarten ist, dass der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. |
Rdn 1003
Literaturhinweise:
S. die Hinweise bei → Maßregeln, Erwachsene, Allgemeines, Teil B Rdn 959 m.w.N.
Rdn 1004
1. Wie bei der Vollstreckung von Freiheitsstrafen (→ Erwachsene, Vollstreckung, Allgemeines, Teil B Rdn 426 m.w.N.) kann es bei der Betreuung von Maßregelvollzugspatienten sowohl um eine bedingte Entlassung aus der freiheitsentziehenden Maßnahme – Unterbringung – wie auch um die Abwendung des Widerrufs einer Strafaussetzung zur Bewährung gehen (→ Bewährung, Allgemeines, Teil A Rdn 1 m.w.N.; → Erwachsene, Freiheitsstrafe ohne Bewährung, Aussetzung der Reststrafe, Allgemeines, Teil B Rdn 260; → Maßregelvollzug, Bewährungsaussetzung, Teil C Rdn 17 ff.). Im Rahmen von Bewährungsaussetzungen werden Auflagen und Weisungen den Verurteilten vielfach beschweren.
Rdn 1005
2.a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt ist – zwingend – bereits von dem erkennenden Gericht zur Bewährung auszusetzen, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Zweck der Maßregel auch dadurch – durch die Aussetzung – erreicht werden kann (§ 67b Abs. 1 S. 1 StGB). Dies erscheint auf den ersten Blick widersprüchlich, da die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bzw. in einer Entziehungsanstalt die Gefährlichkeit des Angeklagten voraussetzt. Indes setzt die Aussetzung einer Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung voraus, dass der – grundsätzlich fortbestehenden – Gefährlichkeit durch andere Maßnahmen wirksam begegnet werden kann; reichen die Feststellungen zur Gefährlichkeit des Angeklagten für die Anordnung einer Unterbringung nicht aus, darf sie nicht – auch nicht zur Bewährung – angeordnet werden.
Rdn 1006
Andererseits wird im Falle der Gefährlichkeit des Täters für die Allgemeinheit die Notwendigkeit einer Unterbringung gemäß § 63 StGB nicht durch minder einschneidende Maßnahmen außerhalb des Bereichs der strafrechtlichen Maßregeln aufgehoben. Bei den freiheitsentziehenden Maßregeln ist das Subsidiaritätsprinzip nur für die Frage der Vollstreckung, nicht aber für die Frage der Anordnung zu beachten (BGH NStZ 2000, 300): Für die Entscheidung, ob die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen ist, ist es unbeachtlich, dass die von einem Angeklagten ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit durch eine konsequente medizinische Behandlung, für die ein Betreuer bestellt ist, abgewendet werden kann.
☆ Auch nach rechtskräftiger Verurteilung sollte stets geprüft werden, ob Maßnahmen außerhalb des Maßregelvollzugs zur Erreichung des Zwecks der Maßregel gleich geeignet, aber weniger einschneidend sind. In diesem Fall kann die weitere Vollstreckung zur Bewährung auszusetzen sein (§ 67d Abs. 2 StGB).nach rechtskräftiger Verurteilung sollte stets geprüft werden, ob Maßnahmen außerhalb des Maßregelvollzugs zur Erreichung des Zwecks der Maßregel gleich geeignet, aber weniger einschneidend sind. In diesem Fall kann die weitere Vollstreckung zur Bewährung auszusetzen sein (§ 67d Abs. 2 StGB).
Rdn 1007
b) Die Vollstreckung der Unterbringung ist bei ihrer Anordnung zur Bewährung auszusetzen, wenn zu erwarten ist, dass der Zweck der Maßregel auch durch die Aussetzung erreicht wird (§ 67b StGB). Der Begriff des Erwartens meint die begründete Erwartung, nicht eine bloße Hoffnung, aber auch keine sichere Gewähr: Es muss die durch Tatsachen begründete Wahrscheinlichkeit bestehen, dass der Zweck der Maßregel auch durch die Aussetzung erreicht werden kann. Besondere Umstände sind solche in der Tat, in der Person des Täters, seiner gegenwärtigen oder zukünftigen Lage, die erwarten lassen, dass die von ihm ausgehende Gefahr weiterer Taten abgewendet oder abgeschwächt wird, dass (zunächst) ein Verzicht auf den Vollzug der Maßregel gewagt werden kann (BGH NStZ 2000, 470; NStZ-RR 2010, 171).
☆ Die Aussetzung der U...