Daniel Hagmann, Monika Oerder
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Gegen die Endentscheidungen des Gerichts und gegen Entscheidungen, die über einen Teil des Streitgegenstands ergangen sind oder die einen Zwischenstreit beenden, der eine Einrede der Unzuständigkeit oder der Unzulässigkeit zum Gegenstand hat, kann Rechtsmittel zum EuGH eingelegt werden. |
2. |
Das Rechtsmittel ist auf Rechtsfragen beschränkt. |
3. |
Neue Anträge können im Rechtsmittelverfahren nicht gestellt werden. |
4. |
Rechtsmittel können die Parteien, Streithelfer sowie Mitgliedstaaten und Unionsorgane einlegen. |
5. |
Die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels beträgt zwei Monate ab Zustellung der angefochtenen Entscheidung. |
6. |
Das Rechtsmittel wird durch Einreichung eines entsprechenden Schriftsatzes bei der Kanzlei des EuGH oder des Gerichts eingelegt. |
7. |
Das Rechtsmittel kann zunächst fristwahrend per Fax oder E-Mail eingelegt werden. |
8. |
Auch die Rechtsmittelbeantwortung unterliegt formellen Vorgaben. |
9. |
Das Rechtsmittelverfahren besteht wie das erstinstanzliche Verfahren aus einem schriftlichen und einem mündlichen Verfahren (Art. 59 S. 1 Satzg-EuGH). |
10. |
Ist das Rechtsmittel ganz oder teilweise offensichtlich unzulässig oder unbegründet, kann der EuGH das Rechtsmittel jederzeit nach Anhörung des Generalanwalts ganz oder teilweise zurückweisen. |
11. |
Das Rechtsmittel hat grds. keine aufschiebende Wirkung. |
12. |
Neben dem Rechtsmittelverfahren stehen den Betroffenen und den Parteien als Rechtsbehelfe die Drittwiderspruchsklage bzw. das Wiederaufnahmeverfahren zur Verfügung. |
Rdn 629
Literaturhinweise:
Wägenbauer, Die Prüfungskompetenz des EuGH im Rechtsmittelverfahren, EuZW 1995, 199
s.a. die Hinw. bei → Nichtigkeitsklage, Allgemeines, Teil C Rdn 455.
Rdn 630
1.a) Gegen die Endentscheidungen des Gerichts und gegen Entscheidungen, die über einen Teil des Streitgegenstands ergangen sind oder die einen Zwischenstreit beenden, der eine Einrede der Unzuständigkeit oder der Unzulässigkeit zum Gegenstand hat, kann Rechtsmittel zum EuGH eingelegt werden (Art. 56 Abs. 1 Satzg-EuGH). Insoweit ist unerheblich, ob die Entscheidung als Urteil oder als Beschluss ergangen ist; rechtsmittelfähig sind auch die verfahrensbeendenden Entscheidungen des EuG nach Klagerücknahme, Erledigung der Hauptsache, Urteilsauslegung (→ Nichtigkeitsklage, Urteil, Teil C Rdn 693), Wiederaufnahme des Verfahrens (Teil C Rdn 667 ff.) oder nach Drittwiderspruchsklage (Teil C Rdn 665 f.) (Pechstein, Rn 236). Ein Rechtsmittel gegen die Kostenentscheidung oder die Kostenfestsetzung ist nicht zulässig (Art. 58 Abs. 2 EuGH Satzung) (→ Nichtigkeitsklage, Kosten, Teil C Rdn 587, 594).
Rdn 631
b) Statistisch gesehen werden zurzeit etwa 25 % der anfechtbaren Entscheidungen des EuG durch Rechtsmittel angefochten (Jahresbericht 2022, https://curia.europa.eu). Rund 80 % der Rechtsmittel aus dem Jahr 2022 waren dabei erfolglos (Jahresbericht 2022, wie vor).
Rdn 632
c) Das Rechtsmittel ist aus Gründen der Prozessökonomie unter Reformdruck geraten. Man erkennt dies zum einem daran, dass im Jahr 2012 Art. 182 neu in die VerfO-EuGH aufgenommen wurde, der die Möglichkeit eröffnet einem offensichtlich begründeten Rechtsmittel durch Beschluss schnell stattgeben zu können, wenn bereits über eine oder mehrere der einschlägigen Rechtsfragen entschieden wurde. Zum anderen wird diese Zweistufigkeit der EU-Gerichtsbarkeit gestärkt, als für bestimmte ausdrücklich in Art. 58a EuGH-Satzung genannte Rechtsmittel ein Verfahren der Zulassung des Rechtsmittels für Rechtsstreitigkeiten gegen Ämter und Agenturen eingeführt wird, die über eine Beschwerdekammer verfügen, sind diese doch als quasigerichtliche Instanzen einer Klage vor dem EuG vorgeschaltet. Gegen derartige EuG-Entscheidungen kann ein Rechtsmittel vor dem EuGH nur eingelegt werden, wenn die zuständige Kammer des EuGH das Rechtsmittel als solches zugelassen hat. Zeitlich gilt diese Neuregelung für alle Rechtsmittelverfahren, die nach dem 1.5.2019 anhängig gemacht wurden. Der Rechtsmittelkläger muss daher in den Fällen des Art. 58a EuGH-Satzung einen Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels gem. Art. 58a Abs. 2 EuGH-Satzung i.V.m. Art. 170b Abs. 4 VerfO-EuGH stellen. Nach dieser Vorschrift kann ein Rechtsmittel nur unter zwei Voraussetzungen eingelegt werden. Der Rechtsmittelführer muss neben den allgemeinen Voraussetzungen der Rechtsmittelklage (wie z.B. hinsichtlich Form und Frist des Rechtsmittelantrags) die besonderen Zulassungskriterien gem. Art. 58a EuGH-Satzung i.V.m. Art. 170a, Art. 170b VerfO-EuGH einhalten. Rechtsmittelschrift und Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels, letztere im Anhang zur Rechtsmittelschrift, sind zusammen einzureichen. Dementsprechend kann ein Rechtsmittel an fehlendenden Prozessvoraussetzungen sowohl des Antrags auf Zulassung des Rechtsmittels als auch der Rechtsmittelschrift scheitern.
Rdn 633
2. Gem. Art. 58 Abs. 1 S. 1 EuGH-Satzung ist das Rechtsmittel auf Rechtsfragen beschränkt. Es dient nach Art. 58 Abs. 1 S. 2 EuGH-Satzung der Überprüfung der rechtlichen Begründung de...