Daniel Hagmann, Monika Oerder
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Die Urteile des EuG weisen einen vorgeschriebenen Inhalt auf. |
2. |
Das Urteil wird in öffentlicher Sitzung, verkündet. |
3. |
Grds. werden Urteile des EuG mit ihrer Verkündung wirksam. |
4. |
Gem. Art. 264 AEUV erklärt der EuG auf die begründete Nichtigkeitsklage die angefochtene Handlung für nichtig. |
5. |
Nach der Verkündung wird den Parteien eine beglaubigte Abschrift des Urteils zugestellt und wird es veröffentlicht. |
6. |
Im Verfahren vor den Gerichten des Gerichtshofs für die Europäische Union kann ein Versäumnisurteil erlassen werden. |
7. |
Die Korrektur von Schreib- und Rechenfehlern sowie offenbaren Unrichtigkeiten nimmt das Gericht von Amts wegen oder auf Antrag vor. |
8. |
Das Gericht kann wegen der Auslegung eines seiner Urteile angerufen werden. |
Rdn 680
Literaturhinweise:
Baumeister, Effektiver Individualrechtsschutz im Gemeinschaftsrecht, EuR 2005, 1
v. Burchard, Der Rechtsschutz natürlicher und juristischer Personen gegen EG-Richtlinien gemäß Art. 173 Abs. 2 EWGV, EuR 1991, 140
Calliess, Kohärenz und Konvergenz beim europäischen Individualschutz, NJW 2002, 3577
Fredriksen, Individualklagemöglichkeiten vor den Gerichten der EU nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, ZEuS 2005, 99
s. die Hinw. bei → Nichtigkeitsklage, Allgemeines, Teil C Rdn 455.
Rdn 681
1. Soweit das Rechtsmittel Erfolg hat, hebt der EuGH nach Art. 61 Abs. 1 S. 1 EuGH-Satzung in jedem Fall die erstinstanzliche Entscheidung auf. Keinen Erfolg hat allerdings ein Rechtsmittel, wenn der angegriffene Klagegrund nicht einschlägig ist oder der EuGH den Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung bestätigt, aber die Begründung auswechselt. Im Anschluss an die Aufhebung der Entscheidung des EuG kann der EuGH nach Art. 61 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 EuGH-Satzung als Rechtsmittelinstanz selbst entscheiden, soweit der Rechtsstreit entscheidungsreif ist. Anderenfalls verweist er nach Art. 61 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 EuGH-Satzung die Rechtssache an die Vorinstanz zurück. Dieses ist an die Rechtsauffassung des EuGH gebunden. Entscheidet der EuGH aus prozessökonomischen Gründen im Rechtsmittelverfahren dem Grunde nach den Rechtsstreit, wird den Parteien allerdings zwangsläufig eine Instanz entzogen. Art. 170 Abs. 2 VerfO-EuGH räumt dem Rechtsmittelführer daher im Gegenzug die Möglichkeit ein, die Rückverweisung der Rechtssache an das Gericht unter Darlegung der Gründe zu beantragen, aus denen der Rechtsstreit nicht zur Entscheidung durch den Gerichtshof reif ist.
Rdn 682
Die Urteile des EuGH weisen einen vorgeschriebenen Inhalt auf. Hierbei handelt es sich nach Art. 117 VerfO-EuG (Art. 87 VerfO-EuGH) um die Feststellung, dass es vom Gericht(shof) erlassen ist, die Bezeichnung des Spruchkörpers, den Tag der Verkündung, die Namen des Präsidenten und der übrigen Richter, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, gegebenenfalls den Namen des Generalanwalts, den Namen des Kanzlers, die Bezeichnung der Parteien, die Namen der Bevollmächtigten, Beistände oder Anwälte, die Anträge der Parteien, gegebenenfalls die Feststellung, dass der Generalanwalt seine Schlussanträge gestellt hat, eine kurze Darstellung des Sachverhalts, die Entscheidungsgründe und die Urteilsformel einschließlich der Entscheidung über die Kosten.
Rdn 683
2. Das Urteil wird in öffentlicher Sitzung, zu der die Parteien und ihre Vertreter geladen werden, deren Erscheinen allerdings nicht erforderlich ist (Pechstein, Rn 165), verkündet (Art. 118 Abs. 1 VerfO-EuG; Art. 88 Abs. 1 VerfO-EuG).
Rdn 684
3. Grds. werden Urteile des EuG mit ihrer Verkündung wirksam (Art. 121 VerfO-EuG). Entscheidungen, in denen eine Verordnung für nichtig erklärt wird, werden hingegen erst nach ereignislosem Ablauf der Rechtsmittelfrist oder nach Erledigung des Rechtmittelverfahrens wirksam (Art. 60 Abs. 2 Satzg-EuGH).
Rdn 685
4. Gem. Art. 264 AEUV erklärt der EuG auf die begründete Nichtigkeitsklage die angefochtene Handlung für nichtig. Das stattgebende Urteil im Verfahren über die Nichtigkeitsklage hat damit Gestaltungswirkung (ausführlich Rengeling/Middeke/Gellermann/Hackspiel, § 27 Rn 24 bis 27).
Rdn 686
Entscheidungen in Nichtigkeitsverfahren wirken grds. ex tunc und erga omnes, also rückwirkend und gegenüber allen, aber wegen des begrenzten Gegenstands oft nur in Bezug auf den Kläger (EuGH, Urt. v. 3.9.2008 – C-402/05 P u. C-415/05 P [Kadi u. Al Barakaat/Kommission u. Rat Nr. 372], EuGRZ 2008, 480).
Rdn 687
Das Gericht kann i.Ü., sofern es das für notwendig hält, Wirkungen bezeichnen, die als fortgeltend zu betrachten sind (Art. 264 Abs. 2 AEUV). Dies kann auch eine (begrenzte) zeitliche Fortgeltung bedeuten (EuGH, Urt. v. 3.9.2008 – C-402/05 P u. C-415/05 P [Kadi u. Al Barakaat/Kommission u. Rat Nr. 373 bis 376] [drei Monate Fortwirkung, damit die gerügten und festgestellten Verfahrensverstöße [Verletzung der Verteidigungsrechte, insbesondere des Rechts auf rechtliches Gehör, Verletzung des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz und Verletzung des Grundrechts auf Achtung des Eigentums] geheilt werden ...