Daniel Hagmann, Monika Oerder
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Die Frist zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde beträgt einen Monat. Im Fall der Teilzurückverweisung durch das Revisionsgericht ist ggf. bereits gegen den teilrechtskräftigen Teil Verfassungsbeschwerde einzulegen. |
2. |
Eine Wiedereinsetzung ist denkbar, ein Anwaltsverschulden bei der Fristversäumnis wird dem Beschwerdeführer zugerechnet. |
Rdn 1127
Literaturhinweise:
s. die Hinw. bei → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Fristen, Allgemeines, Teil A Rdn 1543, m.w.N., bei → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Zustellung, Allgemeines, Teil A Rdn 1850, m.w.N., und bei → Verfassungsbeschwerde, Allgemeines, Teil C Rdn 730.
Rdn 1128
1.a) Die Frist zur Einlegung einer Verfassungsbeschwerde beträgt nach § 93 Abs. 1 S. 1 BVerfGG einen Monat. Die Frist beginnt nach § 93 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BVerfGG mit der Zustellung oder formlosen Mitteilung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung, wenn diese nach den maßgebenden verfahrensrechtlichen Vorschriften von Amts wegen vorzunehmen ist (zur Fristberechnung → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Fristen, Fristberechnung, Teil A Rdn 1557; zur Zustellung → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Zustellung, Allgemeines, Teil A Rdn 1840, m.w.N.; zur Entscheidungsbekanntmachung → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Entscheidungsbekanntmachung, Teil A Rdn 1482). Innerhalb der Frist sind die Anträge der Verfassungsbeschwerde, die freilich nicht expressis verbis formuliert werden müssen, sondern sich konkludent aus der Begründung ergeben können (BVerfG NJW 2005, 1999, 2000) und Begründung mit allen Anlagen beim BVerfG schriftlich einzugehen.
Rdn 1129
b) Hinweise für den Verteidiger!
aa) War der Mandant ggf. in der HV selbst anwesend, beginnt die Frist allerdings schon mit der Verkündung der Entscheidung (§ 35 Abs. 1). Ob das auch dann gilt, wenn nur der Verteidiger in der HV anwesend war, ist strittig. Die h.A. geht davon nicht aus, sondern nur die Mindermeinung (von Häfen/Kessen, § 93 BVerfGG und Subsidiarität der Urteilsverfassungsbeschwerde, 110 m.w.N.). In beiden Fällen hat der Verteidiger als sichersten Weg gem. § 93 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BVerfGG eine Unterbrechung der Frist herbeizuführen, wenn dem Beschwerdeführer eine Abschrift der Entscheidung in vollständiger Form nicht erteilt wurde. D.h., der Beschwerdeführer muss schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle die Erteilung einer in vollständiger Form abgefassten Entscheidung beantragen. Ab dem Ende der Unterbrechung (§ 93 Abs. 1 S. 4 BVerfGG) läuft die Monatsfrist erneut (BVerfGE 24, 236, 244).
☆ Wird eine Entscheidung nicht binnen fünf Monaten nach der Verkündung unterschrieben der Geschäftsstelle übergeben, beginnt die Monatsfrist fünf Monate nach der Verkündung (BVerfG NJW 2001, 2161).fünf Monate nach der Verkündung (BVerfG NJW 2001, 2161).
Rdn 1130
bb) Hinzuweisen ist darauf, dass im Fall der Zurückverweisung durch das Revisionsgericht für den ggf. rechtskräftigen Teil des angefochtenen Urteils die Frist bereits mit der Entscheidung des Revisionsgerichts beginnt. Der Fall wird meist relevant, wenn das Revisionsgericht hinsichtlich der Strafzumessung zurückverweist, die tatsächlichen Feststellungen dem Grunde nach jedoch aufrechterhält (BVerfGE 75, 369; 82, 236, 258). Die Teilrechtskraft genügt für einen Angriff auf den rechtskräftig beschiedenen Teil (MAH-Eschelbach, § 31 Rn 62), vor allem wenn der Schuldspruch rechtskräftig geworden ist (BVerfG NJW 2015, 2949).
Rdn 1131
cc) Soll direkt ein Gesetz angegriffen werden, ist die Jahresfrist des § 93 Abs. 3 BVerfGG zu beachten. Die Jahresfrist des § 93 Abs. 3 BVerfGG gilt im Fall der mittelbaren Rechtssatzverfassungsbeschwerde nicht (BVerfGE 9, 338, 342; → Verfassungsbeschwerde, Zulässigkeit, Beschwerdegegenstand, Teil C Rdn 1155).
Rdn 1132
dd) Eine de lege artis eingereichte Verfassungsbeschwerde ist derart umfangreich, dass die Speicherkapazitäten der handelsüblichen Telefaxgeräte ggf. gesprengt werden. Als Ausweg bietet sich an, das Deckblatt der Verfassungsbeschwerde mehrfach zu kopieren und mit demselben Deckblatt jeweils einzeln gekennzeichnete Teile zu portionieren und zu faxen (Teil 1, Teil 2, usw.).
☆ Ergänzende Rechtsausführen sind nach Fristende zulässig (BVerfGE 18, 85, 89), nicht aber neue Sachverhalte (BVerfGE 109, 279, 305). sind nach Fristende zulässig (BVerfGE 18, 85, 89), nicht aber neue Sachverhalte (BVerfGE 109, 279, 305).
Lediglich die für die Verfassungsbeschwerde erforderliche spezielle Vollmacht kann nachgereicht werden und wird vom BVerfG bei dessen Fehlen mit einer Frist von i.d.R. drei Wochen angefordert. Wird die Vollmacht dann nicht nachgereicht, kann die Verfassungsbeschwerde als unzulässig verworfen werden (BVerfGE 62, 194, 200).
Rdn 1133
2.a) Hat der Beschwerdeführer die Frist zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde versäumt, kommt nach § 93 Abs. 2 BVerfGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht. Insoweit gelten nach § 93 Abs. 2 BVerfGG grds. die allgemeinen Regeln (→ Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Allgemeines, Teil B Rdn 1521, m.w.N):