Dr. Andreas Geipel, Daniel Hagmann
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Die Frist zur Erhebung der Nichtigkeitsklage beträgt zwei Monate. |
2. |
Die Fristberechnung entspricht im Wesentlichen dem deutschen Recht. |
3. |
Maßgeblich für die Fristwahrung ist der Eingang in der Kanzlei. |
4. |
Mit Ablauf der Klagefrist wird der Rechtsakt bezüglich des Klageberechtigten bestandskräftig. |
Rdn 546
Literaturhinweise:
Happe, Lauf und Berechnung der Fristen bei Anfechtungen vor dem EuGH, EuZW 1992, 297
s.a. die Hinw. bei → Nichtigkeitsklage, Allgemeines, Teil C Rdn 458.
Rdn 547
1.a) Die Frist zur Erhebung der Nichtigkeitsklage beträgt zwei Monate. Sie beginnt mit der Bekanntgabe des Rechtsakts, seiner Mitteilung an den Kläger oder dessen anderweitiger Kenntniserlangung, Art. 263 Abs. 6 AEUV. Sie soll der Rechtssicherheit dienen und die wiederholte Infragestellung von Rechtsakten der Union verhindern (EuGH, Urt. v. 12.10.1977 – C-156/77 [Kommission/Belgien Nr. 21/24], Slg. 1978, S. 2545; zur Fristberechnung s. Rdn 553 ff.).
Rdn 548
b) Die Bekanntgabe eines Rechtsakts i.S.v. Art. 263 Abs. 4 AEUV entspricht dessen Veröffentlichung im Amtsblatt der Union. Für diesen Fall bestimmt Art. 59 VerfO-EuG (Art. 50 VerfO-EuGH), dass sich die Frist sodann mit Ablauf des vierzehnten Tages nach der Veröffentlichung berechnet. Im Fall einer Veröffentlichung im Amtsblatt der Union beginnt der Lauf der Klagefrist damit am vierzehnten Tag nach Erscheinen EuGH, Beschl. v. 17.5.2002 – C-406/01 [Deutschland/Parlament und Rat Nr. 15], Slg. 2002 I, S. 4563). Maßgebliches Veröffentlichungsdatum ist das Datum der entsprechenden Amtsblattnummer (EuGH, Urt. v. 9.1.1990 – C-337/88 [Società agricola fattoria alimentare SpA/Amministrazione delle finanze dello Stato Nr. 12], Slg. 1990, S. 14 m.w.N.).
Rdn 549
Beispiel:
Bei einer Veröffentlichung am 1. eines Monats beginnt die Klagefrist am 15. zu laufen (Streinz/Ehricke, Art. 263 AEUV Rn 33).
Rdn 550
c) Wurde der Rechtsakt dem Kläger schon früher individuell mitgeteilt, beginnt die Klagefrist mit dem früheren Ereignis (Streinz/Ehricke Art. 263 AEUV Rn 33 m.w.N.).
Rdn 551
Die Mitteilung an den Kläger entspricht der individuellen Information des Betroffenen gem. Art. 297 Abs. 2 Unter-Abs. 3 AEUV. Diese Bekanntgabe erfolgt i.d.R. schriftlich, ausreichend ist aber bereits die mündliche Unterrichtung und schlüssiges Verhalten (Streinz/Ehricke Art. 263 AEUV Rn 33 m.w.N.).
☆ Fristbeginn ist dann der Tag, der auf den Tag der individuellen Bekanntgabe folgt (Geiger/Khan/Kotzur/ Kotzur , Art. 263 AEUV Rn 44). ist dann der Tag, der auf den Tag der individuellen Bekanntgabe folgt (Geiger/Khan/Kotzur/Kotzur, Art. 263 AEUV Rn 44).
Rdn 552
d) Erlangt der Kläger i.Ü. tatsächlich Kenntnis von einem ihn betreffenden Rechtsakt, ohne dass ihm dieser bekannt gegeben oder mitgeteilt worden wäre, beginnt die Klagefrist zu laufen, sobald er dem Kläger bei Ergreifen zumutbarer Bemühungen hätte bekannt sein müssen (Calliess/Ruffert/Cremer, Art. 263 AEUV Rn 79 m.w.N.). Der Kläger muss daher zur Erhaltung der Klagefrist den vollständigen Wortlaut des Rechtsakts anfordern und darf hiermit nicht zu lange warten (EuGH, Beschl. v. 5.3.1993 – C-102/92 [Ferriere Acciaierie Sarde SpA/Kommission Nr. 18 f.], Slg. 1993, S. 802 [zwei Monate zu lange]). Im Fall der Anforderung beginnt die Klagefrist sodann mit Zugang des Rechtsakts (Grote/Marauhn/Schorkopf, Kap. 30 Rn 145 m.w.N.).
Rdn 553
2.a) Die Fristberechnung entspricht im Wesentlichen dem deutschen Recht (→ Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Fristen, Fristberechnung, Teil A Rdn 1560): Der Tag des fristauslösenden Ereignisses wird nicht mitgerechnet; Wochen-, Monats- oder Jahresfristen enden mit Ablauf des Tages, der der Bezeichnung des Fristbeginns entspricht. Fällt der Fristablauf auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag, endet die Frist am darauf folgenden Werktag (Art. 58 VerfO-EuG; Art. 49 VerfO-EuGH; s. dazu auch die Feiertagsbestimmung in Art. 1 des Beschlusses über die gesetzlichen Feiertage, Anlage zur VerfO-EuGH, s.a. → Menschenrechtsbeschwerde, Frist, Teil C Rdn 180).
Rdn 554
b) Alle Verfahrensfristen, also auch die Klagefrist, werden um eine zehntägige Entfernungspauschale verlängert, Art. 111 VerfO-EuG, Art. 73 VerfO-EuGH.
☆ Fristen, die nicht Verfahrensfristen sind, werden nicht um die Entfernungspauschale verlängert . Dies betrifft beispielsweise von der Kanzlei aufgrund der Verfahrensordnungen gesetzte Fristen ( Wägenbauer , Art. 45 Satzg-EuGH Rn 3).nicht um die Entfernungspauschale verlängert. Dies betrifft beispielsweise von der Kanzlei aufgrund der Verfahrensordnungen gesetzte Fristen (Wägenbauer, Art. 45 Satzg-EuGH Rn 3).
Rdn 555
Die Pauschale soll hinsichtlich der postalischen Übermittlung den z.T. weiten Entfernungen zum Gericht Rechnung tragen (Art. 45 Abs. 1 Satzg-EuGH). Unter Bezugnahme auf die Häufung von Fehlern durch Verwechselung entsprechender Fristen hat der Gerichtshof im Entwurf zur Änderung seiner Satzung vom 28.3.2011 zur Vereinfachung des Verfahrens vorgeschlagen, die Entfernungspauschale abzuschaffen. Er begründet dies ...