Detlef Burhoff, Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
Rdn 107
Literaturhinweise:
Burhoff, Die Verfahrensgebühr im Straf- bzw. Bußgeldverfahren, RVGreport 2009, 443
ders., Die Verfahrensgebühr im Straf- bzw. Bußgeldverfahren, RENOpraxis 2011, 126
ders., 25 Fragen und Antworten zur Verfahrensgebühr in Straf- und Bußgeldverfahren, RVGprofessionell 2013, 176
s. i.Ü. die Hinw. bei → Allgemeine Gebührenfragen, Allgemeines, Teil D Rdn 2, und bei → Berufung, Gebühren, Teil D Rdn 83.
Rdn 108
1. Für seine Tätigkeiten im Berufungsverfahren außerhalb der HV verdient der Rechtsanwalt die Verfahrensgebühr Nr. 4124 VV RVG. Für diese gelten die allgemeinen Regeln für die Verfahrensgebühr (Vorbem. 4 Abs. 2 VV RVG) (vgl. dazu → Verfahrensgebühr, Abgeltungsbereich, Teil D Rdn 431; → Verfahrensgebühr, Allgemeines, Teil D Rdn 442).
Rdn 109
2. Voraussetzung für das Entstehen der Verfahrensgebühr ist, dass der Rechtsanwalt nach Beginn des Berufungsverfahrens (vgl. dazu → Berufung, Gebühren, Teil D Rdn 91) für den Mandanten tätig geworden ist. Ausreichend ist jede Tätigkeit des Rechtsanwalts, auch die Beratung des Mandanten über die von einem anderen Verfahrensbeteiligten, z.B. von der StA, eingelegte Berufung (a.A. offenbar KG StraFo 2006, 432 m. Anm. Burhoff RVGreport 2006, 352; RVGreport 2010, 351, jew. für den vergleichbaren Fall in der Revisionsinstanz; OLG Koblenz NStZ 2007, 423; LG Koblenz JurBüro 2009, 198; wie hier LG Dortmund, Beschl. v. 25.11.2015 – 31 Qs 83/15; LG München I StRR 2015, 78 m. Anm. Werning; AG Iserlohn StraFo 2011, 530; vgl. auch OLG Naumburg JurBüro 2012, 312 für Nr. 3201 VV RVG; zur Erstattung der Nr. 4124 VV RVG → Berufung, Gebühren, Teil D Rdn 98).
Rdn 110
3.a) Die Verfahrensgebühr Nr. 4124 VV RVG erfasst das "Betreiben des Geschäfts" (Vorbem. 4 Abs. 2 VV RVG) im Berufungsverfahren. Erfasst werden alle nach Einlegung der Berufung bis zum Abschluss der Berufungsinstanz vom Rechtsanwalt erbrachten Tätigkeiten (zum Pauschalcharakter vgl. Burhoff/Burhoff, RVG, Vorbem. 4.1 VV Rn 33 ff.). Wegen der Einzelh. zur Verfahrensgebühr im Berufungsverfahren kann verwiesen werden auf die Ausführungen bei Burhoff/Burhoff, RVG, Nr. 4124 VV Rn 16 ff.) (s.a. noch → Verfahrensgebühr, Abgeltungsbereich, Teil D Rdn 431; → Verfahrensgebühr, Allgemeines, Teil D Rdn 442).
Rdn 111
b) Von der Verfahrensgebühr Nr. 4124 VV RVG werden zunächst die bei → Verfahrensgebühr, Abgeltungsbereich, Teil D Rdn 442, aufgeführten allgemeinen Tätigkeiten erfasst.
Rdn 112
Darüber hinaus werden von der Nr. 4142 VV RVG im Berufungsverfahren folgende besondere Tätigkeiten abgegolten (s.a. Burhoff/Burhoff, RVG, Nr. 4124 VV Rn 16):
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sog. Abwicklungstätigkeiten (vgl. dazu [für das Zivilrecht] OLG Karlsruhe, AGS 2009, 19), |
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Akteneinsicht, z.B. zur Vorbereitung der Berufungshauptverhandlung, |
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Nachholung des rechtlichen Gehörs (§ 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 5) (→ Nachholung des rechtlichen Gehörs [§§ 33a, 311a], Abrechnung, Teil D Rdn 334), |
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ggf. Beratung über die Erfolgsaussichten der Revision (s. wegen der Einzelh. Burhoff/Burhoff, RVG, Vorbem. 4.1 VV Rn 30 ff.), |
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Begründung der Berufung, |
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Berichtigungsanträge, z.B. für amtsgerichtliches Urteil oder Protokoll, |
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Beschwerden (→ Beschwerde, Gebühren, Teil D Rdn 130 ff., m.w.N.), |
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Einlegung der Revision (§ 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 RVG), |
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Ergänzungsanträge für Urteil oder Protokoll, |
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Erinnerungen, mit Ausnahme der in Vorbem. 4 Abs. 5 VV RVG erwähnten Verfahren (vgl. Burhoff/Burhoff, RVG, Vorbem. 4 VV Rn 115 ff.), |
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Nachbereitung der HV, |
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Pflichtverteidigerbestellung und damit ggf. zusammenhängende Rechtsmittel, |
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Rücknahme der Berufung (LG Mönchengladbach StV 2004, 37 [bereits Tätigwerden im Berufungsverfahren]), |
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Überprüfung des amtsgerichtlichen Urteils, |
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Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 GVG (→ Verfahrensverzögerung/Verzögerungsrüge, Abrechnung, Teil D Rdn 451), |
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(allgemeine) Vorbereitung der Berufungshauptverhandlung, |
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Wiedereinsetzungsanträge (→ Wiedereinsetzungsverfahren, Abrechnung, Teil D Rdn 634). |
Rdn 113
4.a) Bei der Bemessung der Höhe der Verfahrensgebühr des Wahlanwalts sind über § 14 Abs. 1 RVG die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen (vgl. → Allgemeine Gebührenfragen, Wahlverteidiger, Teil D Rdn 31; vgl. allgemein zur Bemessung der Verfahrensgebühr → Verfahrensgebühr, Allgemeines, Teil D Rdn 442; s.a. Burhoff/Burhoff, RVG, Teil A: Rahmengebühren [§ 14], Rn 1557 ff. und Nr. 4124 VV Rn 25 ff.). Die konkrete Höhe der Gebühr ist abhängig vom Umfang der vom Rechtsanwalt erbrachten Tätigkeiten. Von Belang kann sein die Schwierigkeit des Tatvorwurfs und ob die Berufung ggf. von Anfang an auf das Strafmaß beschränkt war (vgl. dazu a. LG Hannover JurBüro 2011, 304; LG Neuruppin, Beschl. v. 22.12.2011 – 11 Qs 72/11) oder ob die Berufung (des Nebenklägers) ggf. unzulässig war (LG Köln JurBüro 2011, 307 [100,00 EUR als Verfahrensgebühr]). Von Bedeutung kann auch sein, ob und ggf. wie umfangreich der Rechtsanwalt die Berufung begründet oder wie umfangreich die Berufungsbegründung des Berufungsgegners war, mit der er sich auseinandersetzen musste. Auch...