Detlef Burhoff, Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Für Rechtsmittel/Rechtbehelfe im Jugendgerichtsverfahren nach dem JGG gelten die allgemeinen Regeln. |
2. |
Bei den in den §§ 27, 30 JGG vorgesehenen "Nachverfahren" handelt es sich nicht um eine vom ursprünglichen Erkenntnisverfahren unterschiedliche Angelegenheit. Es entstehen also i.d.R. – bis ggf. auf eine Terminsgebühr – keine gesonderten Gebühren. |
3. |
Auch bei dem "Nachverfahren" nach § 57 JGG handelt es sich nicht um eine vom ursprünglichen Erkenntnisverfahren unterschiedliche Angelegenheit. |
Rdn 242
Literaturhinweise:
s. die Hinw. bei → Allgemeine Gebührenfragen, Allgemeines, Teil D Rdn 2, und bei den u.a. Stichwörtern.
Rdn 243
1. Für Rechtsmittel/Rechtbehelfe im Jugendgerichtsverfahren nach dem JGG gelten keine wesentlichen gebührenrechtlichen Besonderheiten. Es gelten vielmehr die allgemeinen Regeln, sodass auf die Ausführungen bei den weiterführenden Stichwörtern verwiesen werden kann (vgl. die Zusammenstellung bei → Allgemeine Gebührenfragen, Allgemeines, Teil D Rdn 1). Auf folgende Besonderheiten ist allerdings hinzuweisen:
Rdn 244
2.a) Im JGG ist in §§ 27, 30 JGG die Möglichkeit vorgesehen, die Verhängung einer Jugendstrafe zur Bewährung auszusetzen und auf diese erst später – nach schlechter Führung des Jugendlichen während der Bewährungszeit – zu erkennen. Diese Möglichkeit ist nicht auf das erstinstanzliche Verfahren beschränkt, sondern kann auch noch von der Jugendkammer im Berufungsverfahren ergriffen werden. Die zu treffende Entscheidung ergeht nach § 62 Abs. 1 S. 1 JGG dann aufgrund einer HV Urteil (zum Nachverfahren → JGG-Besonderheiten, Bewährungsfragen, Teil A Rdn 672 ff.).
Rdn 245
b)aa) Gebührenrechtlich gilt (vgl. Burhoff/Burhoff, RVG, Teil A: Angelegenheiten [§§ 15 ff.], Rn 138 ff., und Burhoff/Volpert, RVG, Nr. 4301 VV Rn 19): Bei diesem "Nachverfahren" handelt es sich nicht um eine vom ursprünglichen Erkenntnisverfahren unterschiedliche Angelegenheit, in der die Gebühren des Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG ggf. sämtlich noch einmal entstehen würden. Vielmehr handelt es sich bei der nach § 30 JGG zu treffenden Entscheidung um die das (ursprüngliche) Erkenntnisverfahren abschließende (gerichtliche) Entscheidung. Es handelt sich daher auch nicht (schon) um Strafvollstreckung i.S.v. Teil 4 Abschnitt 2 VV RVG (OLG Karlsruhe StV 1998, 348 für § 57 JGG; LG Mannheim AGS 2008, 179 m. Anm. Burhoff RVGreport 2008, 145; Burhoff/Volpert, RVG, Teil A: Umfang des Vergütungsanspruchs [§ 48 Abs. 1], Rn 2062 f.), da ein zu vollstreckendes strafrechtliches Erkenntnis überhaupt noch nicht vorliegt (vgl. zum Begriff der Strafvollstreckung Burhoff/Volpert, RVG, Vorbem. 4.2 VV Rn 5 ff.).
Es entstehen daher für den Rechtsanwalt, der in diesem "(Berufungs-)Nachverfahren" nach § 62 JGG teilnimmt, ggf. folgende Gebühren:
Rdn 246
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Ist der Rechtsanwalt Verteidiger i.S.v. Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG, hat er also den vollen Verteidigungsauftrag erhalten, entsteht für die Teilnahme an dem HV-Termin – ggf. noch einmal – eine Terminsgebühr nach Nr. 4126 VV RVG (s. auch das Beispiel bei Burhoff/Burhoff, RVG, Teil A: Angelegenheiten [§§ 15 ff.], Rn 140, für das amtsgerichtliche Verfahren beim Jugendrichter). Für diese gelten die allgemeinen Regeln (→ Terminsgebühr, Allgemeines, Teil D Rdn 402; → Terminsgebühr, Abgeltungsbereich, Teil D Rdn 394). |
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Für den Verteidiger entsteht darüber hinaus nicht noch einmal eine gerichtliche Verfahrensgebühr nach Nr. 4124 VV RVG. Dem steht § 15 Abs. 2 RVG entgegen. Die vom Rechtsanwalt im "Nachverfahren" erbrachten Tätigkeiten, die nicht durch die Terminsgebühr abgegolten sind, sind vielmehr bei der Bemessung der Verfahrensgebühr Nr. 4124 VV RVG für den Wahlanwalt über § 14 Abs. 1 RVG ggf. gebührenerhöhend zu berücksichtigen. Der Pflichtverteidiger muss ggf. einen Pauschgebührenantrag nach § 51 Abs. 1 RVG stellen. ☆ War der Rechtsanwalt Pflichtverteidiger , gilt diese Bestellung auch für das Nachverfahren fort (OLG Karlsruhe StV 1998, 348 für § 57 JGG; Burhoff/ Volpert , RVG, Teil: Umfang des Vergütungsanspruchs [§ 48], Rn 2059 ff. für das Verfahren nach § 57 JGG).Pflichtverteidiger, gilt diese Bestellung auch für das "Nachverfahren" fort (OLG Karlsruhe StV 1998, 348 für § 57 JGG; Burhoff/Volpert, RVG, Teil: Umfang des Vergütungsanspruchs [§ 48], Rn 2059 ff. für das Verfahren nach § 57 JGG). |
Rdn 247
Ist der Rechtsanwalt nicht (Voll-)Verteidiger i.S.v. Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG, sondern im Hinblick auf das Nachverfahren nur mit einer Einzeltätigkeit i.S.v. Vorbem. 4.3 VV RVG beauftragt, entsteht eine Verfahrensgebühr Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG – Beistandsleistung in einer HV – (vgl. Burhoff/Volpert, RVG, Nr. 4301 VV Rn 19). Die deckt alle in Zusammenhang mit der Beistandsleistung stehende Tätigkeiten ab.
Rdn 248
3.a) Nach allgemeiner Meinung eröffnet § 57 JGG dem Gericht die Möglichkeit, sich die Aussetzung einer Jugendstrafe zur Bewährung vorzubehalten (vgl. dazu Eisenberg, JGG, 18. Aufl. 2015, § 57 Rn 8, 20 ff.; Diemer/Schatz/Sonnen,...