Detlef Burhoff, Dr. Peter Kotz
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Das Aufenthaltsrecht weist verfahrensrechtliche Besonderheiten auf, die zum Teil auch Einfluss auf den Rechtsschutz gegen behördliche Entscheidungen haben. |
2. |
Dem Betroffenen obliegt gem. § 82 Abs. 1 AufenthG eine Mitwirkungspflicht, der Ausländerbehörde eine Aufklärungs- und Beratungspflicht. |
3. |
Minderjährige sind mit Vollendung des 16. Lebensjahres verfahrens- und handlungsfähig. |
4. |
Für Bescheide, die die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes beenden oder eine Abschiebung vorbereiten oder androhen, gilt das Schriftformerfordernis gem. § 77 Abs. 1 AufenthG. |
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Der Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels löst unter bestimmten Umständen eine Fiktionswirkung aus, die dazu führt, dass der Aufenthalt vor einer behördlichen Entscheidung nicht beendet werden kann und ggf. sogar als legal angesehen wird. |
Rdn 293
Literaturhinweise:
S. die Hinw. bei → Ausländer, Allgemeines, Teil H Rdn 149.
Rdn 294
1. Das Aufenthaltsrecht – für das im Übrigen das jeweilige Verwaltungsverfahrensrecht gilt – weist verfahrensrechtliche Besonderheiten auf, die zum Teil auch Einfluss auf den Rechtsschutz gegen behördliche Entscheidungen haben.
Rdn 295
2. Dem Betroffenen obliegt gem. § 82 Abs. 1 AufenthG eine Mitwirkungspflicht. Er ist verpflichtet, die für ihn günstigen Umstände und seine Belange unter Nachweis geltend zu machen. Hierfür kann die Behörde ihm eine Frist setzen, nach deren Verstreichen verspätet vorgetragene Tatsachen nicht mehr berücksichtigt werden müssen.
☆ Diese Präklusion reicht aber nicht in das Widerspruchs- oder Gerichtsverfahren hinein, in denen neuer Vortrag möglich ist (vgl. Renner/Samel , § 82 AufenthG, Rn 21 f.).Präklusion reicht aber nicht in das Widerspruchs- oder Gerichtsverfahren hinein, in denen neuer Vortrag möglich ist (vgl. Renner/Samel, § 82 AufenthG, Rn 21 f.).
Rdn 296
Der Mitwirkungspflicht steht eine Aufklärungs- und Beratungspflicht der Ausländerbehörde gem. § 82 Abs. 3 AufenthG gegenüber. Diese muss über Rechte und Pflichten, insbesondere auch über die sachdienliche Antragstellung informieren.
Rdn 297
3. Im ausländerrechtlichen Verfahren sind Minderjährige nach Vollendung des 16. Lebensjahres gem. § 80 AufenthG handlungsfähig.
Rdn 298
4. Für Bescheide, die die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes beenden oder eine Abschiebung vorbereiten oder androhen, gilt das Schriftformerfordernis gem. § 77 Abs. 1 AufenthG.
Rdn 299
5.a) Eine wichtige Besonderheit des Aufenthaltsrechts ist die sogenannte Fiktionswirkung der Antragstellung gem. § 81 Abs. 3, 4 AufenthG. Ein Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels löst unter den dort genannten Umständen bestimmte Wirkungen aus:
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Erlaubnisfiktion gem. Abs. 3 S. 1: Bei Ausländern, die sich (ggf. für eine bestimmte Zeit) ohne Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufhalten dürfen, gilt der Aufenthalt nach einem Antrag auf Erteilung eines Titels als erlaubt. |
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Duldungsfiktion gem. Abs. 3 S. 2: Bei Überschreitung einer Höchstdauer des Aufenthalts im Falle des S. 1 gilt nach der Antragstellung die Abschiebung als ausgesetzt, der Aufenthalt also als geduldet. |
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Fortgeltungsfiktion gem. Abs. 4 S. 1: Wird die Verlängerung einer bestehenden Aufenthaltserlaubnis oder eines Visums oder während deren Geltung ein anderer Aufenthaltstitel beantragt, gilt der bestehende Titel auch über seine befristete Dauer als fortbestehend. Dies gilt allerdings nicht für ein sog. "Schengen-Visum" gem. § 6 Abs. 1 AufenthG, auch wenn es von einer deutschen Botschaft ausgestellt wurde. |
Rdn 300
Praktisch besonders bedeutsam ist die Fortgeltungsfiktion. Sobald ein entsprechender Antrag gestellt ist, gilt der bis dahin Aufenthaltstitel als fortbestehend. Der Aufenthalt kann nicht illegal werden. Dies ist wichtig, weil insbesondere die Aufenthaltserlaubnis als befristet gültiger Verwaltungsakt mit ihrem Ablauf ohne weiteres Zutun nicht mehr wirksam ist. Ohne Fortgeltung des Aufenthaltstitels würde auch eine Arbeitserlaubnis erlöschen. Somit müsste die Erwerbstätigkeit sofort abgebrochen werden.
☆ Über die Fiktionswirkung muss die Behörde gem. § 81 Abs. 5 AufenthG eine Bescheinigung ausstellen .ausstellen.
Auch während der Untersuchungs- oder Strafhaft muss der Verlängerungsantrag vor Ablauf des Geltungszeitraums eines befristeten Aufenthaltstitels gestellt werden. Der Antrag ist nicht formgebunden. Die vorsorgliche Beantragung vorab per Fax durch den Rechtsanwalt – sicherheitshalber unter Vorlage der Vollmacht – führt zur Fristwahrung.
In der Behördenpraxis ist es gelegentlich üblich, andere Bescheinigungen auszustellen, als offiziell vorgesehen sind. Hier sollte gegenüber der Behörde darauf bestanden werden, förmliche Dokumente auszustellen. Diese lösen allerdings regelmäßig eine Bearbeitungsgebühr aus.
Rdn 301
b) Das BVerwG hat klargestellt, dass die verspätete Antragstellung nach Ablauf der Geltungsdauer eines befristeten Aufenthaltstitels keine Fiktionswirkung auslöst (BVerwG NVwZ 2011, 1340).
Rdn 302
Die Fortgeltungsfiktion kann daher seit Aug...