Detlef Burhoff, Dr. Peter Kotz
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Anfechtbar ist die tatrichterliche Entscheidung über die Entschädigung, unabhängig davon, ob auch die Hauptentscheidung angefochten werden kann (§ 8 Abs. 3 S. 1 StrEG). |
2. |
Neben Berufung oder Revision gegen das Urteil muss der Verurteilte auch sofortige Beschwerde gegen die Entschädigungsversagung einlegen. |
3. |
Über § 8 Abs. 3 S. 1 StrEG finden die allgemeinen Vorschriften über die Beschwerde (§§ 304 – 311a StPO) Anwendung. |
4. |
Für die sofortige Beschwerde gelten die allgemeinen Regeln. |
Rdn 501
Literaturhinweise:
S. die Hinw. bei → StrEG-Entschädigung, Allgemeines, Teil I Rdn 281.
Rdn 502
1. Anfechtbar ist die tatrichterliche Entscheidung über die Entschädigung, unabhängig davon, ob auch die Hauptentscheidung angefochten werden kann (§ 8 Abs. 3 S. 1 StrEG). Wer eine Grundentscheidung bzw. deren Unterbleiben unmittelbar anfechten will, kann dies nur mit Hilfe einer sofortigen Beschwerde (§ 8 Abs. 3 S. 1 StrEG, § 311 Abs. 1 StPO) tun (vgl. wegen der Einzelh. Rdn 510 ff.).
Rdn 503
Anfechtungsberechtigt ist der Verfahrensbetroffene, wenn die Entscheidung unterblieben ist bzw. die Entschädigung (teilweise) ausgeschlossen, versagt oder abgelehnt wurde, die StA (OLG Düsseldorf NJW 1999, 2830) daneben auch, wenn sie zugesprochen wurde.
Rdn 504
2.a) Neben Berufung oder Revision gegen das Urteil muss der Verurteilte auch sofortige Beschwerde gegen die Entschädigungsversagung einlegen, da diese andernfalls vom Rechtsmittelgericht nicht überprüft werden kann (Anfechtungserklärung; BGH, Beschl. v. 19.4.1988 – 1 StR 76/88; OLG Düsseldorf JMBl NRW 1995, 250; OLG Frankfurt NJW 1974, 202; OLG Hamm, Beschl. v. 31.8.1990 – 4 Ws 326/90; 4 Ws 327/90; OLG Karlsruhe NJW 1972, 2323; Meyer-Goßner/Schmitt, § 8 StrEG Rn 18).
Rdn 505
Beispiel:
V wurde vom Amtsgericht verurteilt, das auch eine Entschädigung für die überschießende Untersuchungshaft ablehnte. Mit beiden Entscheidungen ist V nicht einverstanden.
Rdn 506
Muster I.5: Sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung einer Entschädigung
Muster I.5: Sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung einer Entschädigung
Gegen das Urt. v. _________________________ lege ich Berufung und gegen die Ablehnung einer Entschädigung für die überschießende Untersuchungshaft sofortige Beschwerde ein.
Rdn 507
b) Wird gegen das Urteil nur (ein unbenanntes) "Rechtsmittel" eingelegt, schließt dies die sofortige Beschwerde nicht ein (OLG Köln, Beschl. v. 26.9.2008 – 83 Ss 69/08 [insoweit in NStZ 2009, 406 nicht abgedruckt]). Lediglich für den Fall, dass die Berufung ganz oder teilweise Erfolg und damit der erstinstanzliche Entschädigungsausspruch keine Grundlage mehr hat, ist das Berufungsgericht ohne Vorliegen einer zulässigen sofortigen Beschwerde zu einer neuen Entscheidung über die Entschädigungspflicht berechtigt und verpflichtet (OLG Hamm, Beschl. v. 31.8.1990 – 4 Ws 326/90; 4 Ws 327/90).
Rdn 508
3.a) Über § 8 Abs. 3 S. 1 StrEG finden die allgemeinen Vorschriften über die Beschwerde (§§ 304 – 311a StPO) Anwendung. Dies bedeutet im Einzelnen:
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(§ 8 Abs. 1 S. 2 StrEG) Die erstinstanzielle OLG-Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 304 Abs. 4 S. 2 StPO; BGHSt 26, 250). |
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Hat das Beschwerdegericht entschieden, ist eine weitere Beschwerde nicht möglich, da nach § 310 Abs. 1 StPO nur die Verhaftung und die einstweilige Unterbringung angefochten werden können. Es handelt sich insoweit um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift, die nur Entscheidungen erfasst, bei der die Entziehung der persönlichen Freiheit selbst Gegenstand des Verfahrens ist (KG, Beschl. v. 24.6.1999 – 5 Ws 395/99; OLG Celle MDR 1977, 74; OLG Oldenburg VRS 67, 37). Die Frage, ob der Verfahrensbetroffene für die erlittene U-Haft zu entschädigen ist, gehört hierzu nicht und unterliegt daher dem Beschwerdeausschluss nach § 310 Abs. 2 StPO. Dies gilt auch dann, wenn ein Verfahrensbeteiligter durch die Beschwerdeentscheidung erstmals beschwert ist (Meyer-Goßner/Schmitt, § 310 Rn 1). |
Rdn 509
b) Auf die Wertgrenze des § 304 Abs. 3 StPO kann es dagegen nicht ankommen. Dies folgt zwanglos daraus, dass sich das Gericht im Grundverfahren mit der Schadenshöhe nicht zu beschäftigen hat und daher zum Beschwerdewert überhaupt nicht Stellung nehmen kann (KG JR 1981, 524; OLG München NJW 1973, 721; BeckOK-StPO/Cornelius, § 8 Rn 13; Kunz, StrEG, § 8 Rn 54; Meyer-Goßner/Schmitt, § 8 StrEG Rn 20; a.A. OLG Düsseldorf MDR 1978, 781; Meyer, StrEG, § 8 Rn 50).
Rdn 510
4. Für die sofortige Beschwerde gelten die allgemeinen Regeln (§§ 311 f. StPO; zur sofortigen Beschwerde Burhoff, EV, Rn 3366; Burhoff/Kotz/Kotz, RM, Teil A Rn 612 ff.).
Rdn 511
a) Die sofortige Beschwerde (§ 311 StPO) innerhalb der Wochenfrist einzulegen. Die Frist beginnt mit der Bekanntmachung der Entscheidung (§ 35 StPO), wenn diese in Anwesenheit des Verfahrensbetroffenen ergeht, andernfalls mit Zustellen an ihn oder an seinen Verteidiger. Bei Zustellung an den Verteidiger gegen Empfangsbekenntnis kommt es nicht auf den tatsächlichen Zugang der Entscheidung an, sondern darauf, wan...