Das Wichtigste in Kürze:

1. Gem. § 4 StrEG kann eine Entschädigung nach Billigkeit gewährt werden. Das Verfahren ist in § 9 StrEG geregelt.
2. Stellt die StA ein Verfahren kann sie eine Grundentscheidung zur Entschädigungspflicht nicht treffen. Zu deren Herbeiführung muss der Verfahrensbetroffene das zuständige Gericht anrufen.
3. Hauptanwendungsfall ist die Verfahrenseinstellung mangels Tatnachweises.
4. § 9 Abs. 1 StrEG normiert die Pflichten der StA zur Mitteilung über die Einstellung des Verfahrens und zur Belehrung über die Anspruchsstellung.
5. Über die Entschädigungspflicht entscheidet stets das AG an seinem Hauptsitz. Ausgenommen davon sind die in § 9 Abs. 1 S. 2 Nrn. 1, 2 StrEG aufgeführten Verfahrenskonstellationen.
6. Ausgenommen von der Regelzuständigkeit des AG sind u.a. Verfahren, in denen die StA bereits Anklage erhoben, diese aber wieder zurückgenommen hatte.
7. Zur Berechnung der Monatsfrist gelten die allgemeinen Regeln.
8. Anfechtbar sind nur die amts- oder landgerichtliche Entscheidung, die Entscheidung des OLG ist nicht anfechtbar.
 

Rdn 514

 

Literaturhinweise:

S. die Hinw. bei → StrEG-Entschädigung, Allgemeines, Teil I Rdn 281.

 

Rdn 515

1. Die Prüfungs(reihenfolge)schritte (§ 4 StrEG) lauten (vgl. a. → StrEG-Entschädigung, Billigkeitsentscheidung nach Sanktion, Teil I Rdn 362; → StrEG-Entschädigung, Billigkeitsentscheidung nach Verfahrenseinstellung, Teil I Rdn 387):

Wurde gegen den Verfahrensbetroffenen eine andere Strafvollzugsmaßnahme i.S.d. § 2StrEG vollzogen?
Ist der Entschädigungsanspruch nach § 5 StrEG ausgeschlossen oder nach § 6StrEG zu versagen (KG Rpfleger 1999, 350)?
Wurde das Verfahren endgültig eingestellt?
Wäre es unbillig, dem Verfahrensbetroffenen eine Entschädigung vorzuenthalten?
 

Rdn 516

2. Stellt die StA ein Verfahren, in dem zuvor eine entschädigungspflichtige Strafverfolgungsmaßnahme vollzogen wurde, ein, geschieht dies i.d.R. ohne Beteiligung des Gerichts, weshalb § 8 StrEG keine Anwendung findet. Dies gilt auch, wenn das Verfahren nach § 153a StPO eingestellt und hierzu die Zustimmung des Gerichts eingeholt worden ist. Eine Grundentscheidung zur Entschädigungspflicht kann die StA nicht treffen. Zu deren Herbeiführung muss der Verfahrensbetroffene das zuständige Gericht anrufen.

 

☆ Das Antragserfordernis besteht zwingend (§ 9 Abs. 1 S. 2 StrEG)!Antragserfordernis besteht zwingend (§ 9 Abs. 1 S. 2 StrEG)!

 

Rdn 517

3.a) Hauptanwendungsfall dürfte die Verfahrenseinstellung mangels Tatnachweises sein, ein, weil für notwendigen Auslagen des Verfahrensbetroffenen keine Erstattungsregeln vorgesehen ist. Im Ausnahmefall der Einstellung des EVs nach § 170 Abs. 2 StPO und nachfolgenden Klagerücknahme ist § 467a StPO le specialis.

 

Rdn 518

b) Das gilt auch, wenn – unabhängig von der StA – das strafrechtliche EV durch andere Behörden eingestellt wird, z.B. durch

Bundeszentralamt für Steuern,
Familienkasse,
Finanzamt oder
Hauptzollamt

eingestellt wurde. Die Verfahrenseinstellung darf nicht nur vorläufig sein (→ StrEG-Entschädigung, Billigkeitsentscheidung nach Verfahrenseinstellung, Teil I Rdn 387).

 

Rdn 519

Führt die Verwaltungsbehörde ein Ordnungswidrigkeitenverfahren und stellt es ein, finden die Vorschrift keine Anwendung. Ermittelt im umgekehrten Fall die StA im Rahmen eines Bußgeldverfahrens, richtet sich das Entschädigungsverfahren nach § 110 OWiG (→ StrEG-Entschädigung, Bußgeldverfahren, Teil I Rdn 408).

c) Zur Einstellung des EV und Abgabe an die Verwaltungsbehörde folgendes

 

Rdn 520

 

Beispiel:

Der Beschuldigte wird von der Verkehrspolizei in einem auffälligen Zustand angetroffen, vermutet wird Alkoholisierung. Der Führerschein wird beschlagnahmt; es wird eine Blutprobe genommen und eine BAK von 2,2 Promille festgestellt. Daraufhin ergeht ein Beschluss nach § 111a StPO. Auf den Einwand des Beschuldigten, es müsse eine Verwechslung vorliegen, erfolgt eine Überprüfung, die zu einem Ergebnis von 0,2 Promille führt. Die StA stellt das EV nach § 170 Abs. 2 StPO ein und gibt die Sache an die Verwaltungsbehörde zur Verfolgung wegen § 1 StVO ab. Diese verhängt eine Geldbuße in Höhe von 20,00 EUR.

Zur Frage, ob hier eine entschädigungsrechtlich § 9 StrEG unterliegende Verfahrenseinstellung vorliegt, bestehen unterschiedliche Auffassungen. Für die Anwendbarkeit von § 9 StrEG sprechen sich Meyer-Goßner-Schmitt (§ 9 StrEG Rn 2) aus, die allerdings der StA ansinnen, bei Gericht mit dem Ersuchen vorstellig zu werden, erst über die Entschädigungspflicht zu entscheiden, wenn das Bußgeldverfahren abgeschlossen ist. Gegen die Anwendbarkeit der Vorschrift – insbesondere aus Gründen der Arbeitsökonomie – sprechen sich Kunz (§ 9 Rn 8) und Meyer (§ 9 Rn 7).

 

☆ Endet nämlich das Verwaltungsverfahren vor Gericht, erfolgt die Entschädigungsentscheidung aufgrund § 8 StrEG. Stellt die Verwaltungsbehörde das Verfahren endgültig ein, entscheidet sie eigenständig über die Entschädigung nach § 110 Abs. 1 OWiG. Lediglich dann, wenn eine Strafverfolgungsmaßnahme vollzogen wurde, die in einem Bußgel...

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