Detlef Burhoff, Dr. Peter Kotz
Rdn 652
Literaturhinweise:
Eisenberg, Verfassungswidrige Untersuchungshaftdauer und (Nicht-)Entschädigung (§ 6 Abs. 2 StrEG). GA 2014, 107
s.a. die Hinw. bei → StrEG-Entschädigung, Allgemeines, Teil I Rdn 281.
Rdn 653
1. § 6 Abs. 2 StrEG enthält eine jugendrechtliche Spezialregelung. Die ausschließlich auf Freiheitsentziehungen anwendbare Vorschrift ist nur lex specialis zu § 5 Abs. 1 Nr. 2; die ausdrückliche Nichtanrechnung der freiheitsentziehenden Maßnahme nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 StrEG bleibt von ihr unberührt (Kunz, StrEG, § 6 Rn 39; Meyer, StrEG, § 6 Rn 45).
Rdn 654
2. Liegt eine Konstellation vor, die bei einem Erwachsenen einen Entschädigungsanspruch auslösen würde, muss der Jugendrichter dem Anspruch wegen des Vorrangs des das JGG beherrschenden Erziehungsgedankens nicht entsprechen, wenn dies erzieherisch nachteilig wäre. Denn der Grundgedanke des JGG erfasst nicht nur Sanktionen im technischen Sinne, sondern auch die Entschädigungsfrage (BVerfG, Beschl. v. 7.12.2005 – 2 BvR 28/05 m. krit. Anm. Eisenberg/Reuther, S. 491).
Rdn 655
Beispiel:
Jugendkammer und Strafsenat hatten den Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls abgelehnt, wogegen der Angeklagte Verfassungsbeschwerde einlegte, aufgrund derer vom BVerfG der OLG-Beschluss aufgehoben und die Sache an den Strafsenat zurückverwiesen worden war. Begründet wurde die Aufhebung damit, dass der ursprüngliche Haftfortdauerbeschluss der Jugendkammer rechtswidrig gewesen sei. Durch verfahrensabschließendes Urteil der Jugendkammer wurde der Angeklagte zu einem Jugendarrest von vier Wochen verurteilt, mit der Maßgabe, dass dieser im Hinblick auf die erlittene Untersuchungshaft in voller Höhe nicht vollstreckt werde. Gleichzeitig wurde eine Entschädigung für den Vollzug der Untersuchungshaft für die Zeit, die nicht durch die Anrechnung auf den Arrest erledigt war, ebenso wie für die erlittene Durchsuchungsmaßnahme versagt (OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.9.2013 – 4b Ws 1/13).
Rdn 656
Allerdings hat er den Entschädigungsanspruch in seinem Urteil sanktionsmildernd zu berücksichtigen, da der Anspruch nur auf diese Weise konsumiert wird. Betroffen sind davon Fälle, in denen das Gericht einerseits anerkennt, dass die freiheitsentziehende Maßnahme insoweit zur Läuterung des Beschuldigten geführt hat, als ursprünglich ins Auge gefasste Sanktionen unterbleiben können, andererseits der Betroffene nicht den Eindruck vermittelt bekommen soll, er müsse für sein die Verfolgungsmaßnahme auslösendes Verhalten auch noch belohnt werden (Meyer, StrEG, Rn 42).
Siehe auch: → StrEG-Entschädigung, Allgemeines, Teil I Rdn 280.