Leitsatz
Aus der Ehe der Parteien sind zwei minderjährige Kinder hervorgegangen. Die Kindeseltern gehören einer Glaubensgemeinschaft an und verweigern ihren Kindern die Teilnahme an der allgemeinen Schulausbildung an einer staatlichen Schule.
Sachverhalt
Aus der Ehe der Kindeseltern sind zwei minderjährige Kinder, geboren am 10.12.1995 und am 06.05.1998, hervorgegangen. Die Kindeseltern gehören der Glaubensgemeinschaft der Siebten Tags Adventisten an. Aus religiösen Gründen verweigern sie ihren Kindern die Teilnahme an der allgemeinen Schulausbildung an einer staatlichen Schule. Die Kinder werden von ihren Eltern nach dem Lehrplan der sog. Philadelphia Schule zu Hause unterrichtet. Das beteiligte Jugendamt hat die Eltern in der Vergangenheit mehrfach auf die Schulpflicht der Kinder hingewiesen und insoweit auch mehrfach Gespräche mit ihnen geführt. Ein gegen die Eltern wegen Verletzung der Mitwirkung an der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht festgesetztes Bußgeld ist von ihnen gezahlt worden. Nachdem die Eltern keinerlei Bereitschaft zeigten, ihr Verhalten zu ändern, hat das beteiligte Jugendamt sodann eine Gefährdung des Kindeswohls dem Amtsgericht angezeigt. Nach Anhörung aller Beteiligten und der betroffenen Kinder hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 18.03.2005 den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht für beide Kinder sowie die Befugnis, über die Ausbildung, die Schulart, Schulan- bzw. -ab- oder -ummeldung, die Art und das Ausmaß der den Kindern zu gewährenden zusätzlichen Förderungs- und Bildungsmaßnahmen zu bestimmen, entzogen und auf das beteiligte Jugendamt als Ergänzungspfleger übertragen.
Gegen diese Entscheidung haben die Kindeseltern befristete Beschwerde eingelegt und unter anderem auf ihr Recht auf Glaubensfreiheit verwiesen. Zugleich haben sie die vorläufige Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Beschlusses begehrt. Das Beschwerdegericht hat den Antrag auf einstweilige Einstellung der Vollziehung der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen und darauf hingewiesen, dass die Beschwerde in der Sache selbst keinerlei Erfolgsaussichten habe.
Entscheidung
Nach § 1666 Abs. 1 BGB ist zugunsten des Kindes, dessen körperliches, geistiges oder seelisches Wohl durch missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge gefährdet ist, eine gefahrenabwehrende Maßnahme einzuleiten. Die gerichtliche Entscheidung hat sich hierbei gem. § 1697a BGB an den tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie an den berechtigten Interessen der Beteiligten unter besonderer Berücksichtigung des Kindeswohls zu orientieren.
Bei grundsätzlicher Erziehungsgeeignetheit der Eltern ist gleichwohl das Kindeswohl durch vorsätzliches Versagen hinsichtlich der Einschulungspflicht gefährdet, was zu einem Teilentzug der elterlichen Sorge führen muss.
Die Teilnahme an der allgemeinen Schulausbildung ist für die betroffenen Kinder und deren weitere Entwicklung von überragender Bedeutung. Sie dient in besonderem Maße dem Kindeswohl. Eine den teilweisen Sorgerechtsentzug rechtfertigende Gefährdung des Kindeswohls liegt daher vor, soweit die Kindeseltern nicht in gebotenem Maße ihre Kinder zur Teilnahme an der allgemeinen Schulausbildung anhalten können oder sich - wie im vorliegenden Fall - der allgemeinen Schulausbildung sogar beharrlich entgegenstellen.
Eine Berufung auf die Grundrechte der Glaubens- und Gewissens- bzw. Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG oder auf ihr Grundrecht auf Pflege und Erziehung der Kinder aus Art. 6 Abs. 2 GG ist hierbei nicht möglich. Bedenken hinsichtlich einer Ausübung des Grundrechts der Glaubens- und Gewissens- bzw. Religionsfreiheit ergeben sich bereits daraus, dass jedenfalls die allgemeinen Glaubensgrundsätze der Siebten Tags Adventisten die Teilnahme an der öffentlichen Schulausbildung nicht verbieten. Im Übrigen finden alle genannten Grundrechte ihre Grenzen in der aus Art. 7 Abs. 1 GG folgenden Verpflichtung zur Teilnahme an der allgemeinen Schulausbildung. Dem Staat ist gem. Art. 7 Abs. 1 GG die Aufsicht über das gesamte Schulwesen übertragen, so dass er einen eigenen Erziehungsauftrag besitzt. Weder dem Elternrecht noch dem Erziehungsauftrag des Staates kommt insoweit ein absoluter Vorrang zu, vielmehr ist die gemeinsame Erziehungsaufgabe in einem sinnvoll aufeinander bezogenen Zusammenwirken zu erfüllen. Hieran haben sich die Eltern zu orientieren.
Im Übrigen waren sie zumindest verpflichtet, ihre Kinder zum Besuch der allgemeinen Schule zunächst anzumelden und dabei zugleich einen Antrag auf Befreiung von der Verpflichtung zum Schulbesuch zu stellen. Dies haben sie nicht veranlasst, aus diesem Grund stellt sich ihr Verhalten als kindeswohlgefährdend dar.
Gem. § 36 Abs. 4 BbgSchulG kann bei Vorliegen eines wichtigen Grundes eine Befreiung von der Pflicht zum Schulbesuch erfolgen, wenn eine entsprechende gleichwertige Förderung anderweitig gewährleistet ist. Diesen Weg haben die Kindeseltern jedoch nicht beschritten.
Die Eltern gefährden das Wohl ihrer Kinder dadurch, dass sie si...