Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütungsfestsetzung nach § 55 RVG bei nur teilweiser PKH-Bewilligung, Obsiegen des Klägers im Klageverfahren im Umfang der PKH-Bewilligung und nach bereits erfolgter Kostenfestsetzung
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat das FG nur teilweise Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Klageverfahren bewilligt, obsiegt der Kläger im Klageverfahren in genau dem Umfang, in dem ihm PKH bewilligt worden ist, hat der Kläger entsprechend der finanzgerichtlichen Kostenentscheidung einen Kostenfestsetzungsantrag gestellt, aufgrund dessen ihm die entstandenen Kosten im Umfang seines Obsiegens erstattet worden sind, und stellt der Kläger nunmehr aufgrund der PKW-Bewilligung einen Vergütungsfestsetzungsantrag nach § 55 RVG, so sind ungeachtet der Vorschrift des § 58 Abs. 2 RVG die im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 149 FGO bereits erstatteten Kosten einschließlich der erstatteten Gebühren für das außergerichtliche Vorverfahren in voller Höhe auf die PKH-Vergütung anzurechnen. Das gilt auch dann, wenn die Geschäftsgebühr für das Vorverfahren erst im Nachhinein beantragt und nach der Einreichung des Vergütungsfestsetzungsantrages bezahlt worden ist.
2. Ist nur teilweise für ein Klageverfahren PKH bewilligt worden, so sind bei der Ermittlung der nach § 55 RVG festzusetzenden Vergütung die Verfahrenskosten nicht insgesamt anhand des Gesamtstreitwerts des Klageverfahrens zu ermitteln und dann der Vergütungsbetrag entsprechend der Quote der Prozesskostenbewilligung an diesem Gesamtstreitwert zu errechnen, sondern es wird genau der Streitwert für den Teil des Klageverfahrens ermittelt, für die Prozesskostenhilfe bewilligt wurde. Aus diesem speziell ermittelten (Teil)Streitwert wird dann der Erstattungsbetrag aufgrund der Prozesskostenhilfebewilligung anhand der prozesskostenrechtlichen und der Rechtsanwaltsgebührenregelungen ermittelt.
3. Es ist mit dem Zweck des § 58 Abs. 2 RVG als Tilgungsvorschrift nicht vereinbar, wenn ein Rechtsanwalt neben einer vorprozessual entstandenen und vom Mandanten beglichenen Geschäftsgebühr im Ergebnis aus Mitteln der der Staatskasse eine nur geringfügig oder gar ungekürzte Verfahrensgebühr und damit aus diesen beiden Gebühren einen höheren Gesamtbetrag erhält, als ihm nach § 15a Abs. 1 RVG zusteht (Anschluss an OVG Lüneburg v. 3.4.2013, 13 OA 276/12). Dies gilt umso mehr, wenn bzw. soweit der erstattungspflichtige Prozessgegner diese Kosten aufgrund einer Kostenfestsetzung zahlt.
Normenkette
RVG § 55 Abs. 1, 5, § 58 Abs. 1-2, § 15a Abs. 1; VV-RVG Teil 3 Vorbemerk. 3 Abs. 4 S. 1
Tenor
1. Die Erinnerung wird abgewiesen, soweit der Urkundsbeamte der Erinnerung durch Beschluss vom 23.05.2013 nicht abgeholfen hat.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
3. Die außergerichtlichen Kosten werden nicht erstattet.
Tatbestand
I.
Die Parteien streiten über die Rechtsmäßigkeit des Vergütungsfestsetzungsbeschlusses nach §§ 45, 55 RVG und hier vor allem über die Verrechnung von Zahlungen der Familienkasse aus der Kostenfestsetzung mit der beanspruchten Vergütung.
Mit Schriftsatz vom 14.04.2010 erhob die Erinnerungsführerin und Prozessbevollmächtigte im Hauptsacheverfahren namens und in Vollmacht der Klägerin Klage und beantragte, den Bescheid über die Ablehnung der Kindergeldfestsetzung ab September 2008 vom 02.11.2009 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.03.2010 aufzuheben und die Familienkasse zu verpflichten, der Klägerin ab September 2008 Kindergeld zu gewähren. Gleichzeitig stellte sie Antrag auf Prozesskostenhilfe und auf Beiordnung als Prozessbevollmächtigte.
Mit Beschluss des 4. Senats des Thüringer Finanzgerichts vom 10.09.2012 wurde der Klägerin Prozesskostenhilfe ohne Raten hinsichtlich des Kindergeldes für die Monate Februar 2009 bis März 2010 unter Beiordnung der Erinnerungsführerin als Prozessbevollmächtigte gewährt. Im Übrigen wurde der Antrag auf Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Auf den Beschluss wird verwiesen.
Mit Verfügung der beklagten Familienkasse vom 05.11.2012 wurde entsprechend der Entscheidung im Beschluss über den Antrag auf Prozesskostenhilfe Kindergeld für die Monate Februar bis Dezember 2009 in Höhe von 164 EUR und für die Monate Januar bis März 2010 in Höhe von 184 EUR, insgesamt 2.356 EUR festgesetzt. Die Familienkasse erklärte den Rechtsstreit für diese Zeiträume teilweise in der Hauptsache für erledigt.
Mit Schreiben vom 15.11.2012 klärte der Berichterstatter die Prozessbevollmächtigte und Erinnerungsführerin über die Erfolgsaussichten der Klage auf und stellte anheim, soweit dem Klagebegehren abgeholfen worden war, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären und im Übrigen die Klage zurückzunehmen.
Mit Schreiben vom 16.11.2012 erklärte die Erinnerungsführerin im Namen der Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, soweit im Bescheid vom 05.11.2012 Kindergeld gewährt worden war. Mit Schreiben vom 20.11.2012 nahm sie die Klage, soweit sie nicht im Umfang des Abhilfebescheides für erledigt erklärt worden war, zurück.
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