Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung einer Abfindung im Rahmen der Prüfung nach § 120 Abs. 4 ZPO
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Abänderungsentscheidung wegen wesentlicher Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 120 Abs. 4 ZPO setzt voraus, dass sich die Verhältnisse nach dem Zeitpunkt des Erlasses des PKH-Bewilligungsbeschlusses geändert haben.
2. Wird ein Kündigungsrechtsstreit durch einen Abfindungsvergleich beendet, stellt bereits die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung der Abfindung in aller Regel ein „verwertbares Vermögen” des Arbeitnehmers i. S. der §§ 115 Abs. 2 Satz 2 ZPO, 90 Abs. 1 SGB XII dar, weil die Forderung begründet wurde und ihre alsbaldige Tilgung bei Anwendung eines vernünftigen Maßstabes in der Regel erwartet werden kann (anderer Auffassung wohl BAG Beschuss vom 24.03.2006 – 3 AZB 12/05 – Juristisches Büro 06, 486).
3. Die Verpflichtung zur Abfindungszahlung ist deshalb als Vermögenswert bereits bei einer dem Vergleich nachfolgenden Gewährung von Prozesskostenhilfe durch Auferlegung von Ratenzahlungen ggf. zu berücksichtigen. Die spätere Zahlung bewirkt keine nachträgliche Änderung der Vermögensverhältnisse, die Anlass für eine Entscheidung nach § 120 Abs. 4 ZPO geben könnte.
Normenkette
ZPO §§ 115, 120; SGB XII § 90
Verfahrensgang
ArbG Jena (Beschluss vom 11.09.2006; Aktenzeichen 4 Ca 367/05) |
Tenor
wird der PKH-Abänderungsbeschluss der Rechtspflegerin beim Arbeitsgericht Jena vom 11.09.2006 – 4 Ca 367/05 – insoweit teilweise aufgehoben, als die Klägerin zur Zahlung eines Betrages von EUR 590,00 verpflichtet wird.
Tatbestand
I.
Im Rahmen des Ausgangsverfahrens, einer Kündigungsschutzklage, schlossen die Parteien am 04.01.2006 vor dem Arbeitsgericht einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis beendet wurde und die Beklagte sich verpflichtete, an die Klägerin eine Abfindung in Höhe von EUR 5.900,00 zu zahlen; die Abfindung sollte Ende Februar 2006 fällig werden.
Mit Beschluss vom 06.02.2006 bewilligte das Arbeitsgericht unter Anordnung einer Ratenzahlung von EUR 15,00 der Klägerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten.
Nach Zahlung der Abfindung Anfang März 2006 erließ die Rechtspflegerin den angefochtenen Beschluss, wonach die angeordnete Ratenzahlung wegen Verschlechterung der Einkommensverhältnisse der Klägerin aufgehoben, die Klägerin aber gleichzeitig verpflichtet wurde, 1/10 der Abfindungssumme als einmaligen Betrag an die Staatskasse zu zahlen.
Gegen diesen ihrem Prozessbevollmächtigten am 15.09.2006 zugestellten Beschluss hat dieser mit Schriftsatz vom 28.09.2006, der am Folgetag beim Arbeitsgericht einging, sofortige Beschwerde eingelegt und den Antrag gestellt,
den Beschluss vom 11.09.2006 dahingehend abzuändern, dass die Klägerin keinen einmaligen Betrag in Höhe von EUR 590,00 zu zahlen hat.
Entscheidungsgründe
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte und damit zulässige sofortige Beschwerde ist begründet, weil die Voraussetzungen des § 120 Abs. 4 ZPO zur Abänderung der bewilligten Prozesskostenhilfe im Hinblick auf die Auferlegung einer Zahlungsverpflichtung von EUR 590,00 nicht vorgelegen haben.
Nach § 120 Abs. 4 ZPO kann der Rechtspfleger die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben.
Voraussetzung für ein Vorgehen nach dieser Vorschrift ist also entsprechend dem eindeutigen gesetzlichen Wortlaut, dass sich maßgebenden Verhältnisse nach Erlass der Entscheidung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe wesentlich geändert, d. h. bei Abänderung zu Lasten des Beteiligten wesentlich gebessert haben (vgl. Thomas-Putzo ZPO 26. Aufl. § 120 Rz. 9).
Die ursprüngliche Entscheidung darf also nicht geändert werden, wenn die Vermögensverhältnisse der Partei unverändert geblieben, aber zuvor, d. h. vor der Entscheidung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe fehlerhaft beurteilt worden sind (Zöller-Philippi ZPO 24. Aufl. § 120 Rz. 20 m. w. N.; Zimmermann, Prozesskostenhilfe in Familiensachen Rz. 416, 425).
Dabei ist dem Rechtspfleger, der über die Abänderung entscheidet, die Prüfung verwehrt, ob die Ursprungsentscheidung richtig war. Hierüber darf nur auf Beschwerde der Staatskasse gem. § 127 Abs. 2 Satz 1 i. V. mit Abs. 3 ZPO entschieden werden (vgl. Zöller a. a. O. Rz. 20 m. w. N.).
Bei Anwendung dieser Grundsätze war der Rechtspflegerin vorliegend die Abänderungsentscheidung nach § 120 Abs. 4 ZPO verwehrt. Die Vermögensverhältnisse der Beschwerdeführerin haben sich nicht nachträglich verbessert.
Mit Abschluss des gerichtlichen Vergleichs vom 04.01.2006 hatte die Beschwerdeführerin einen Vermögenswert von EUR 5.900,00 erworben.
Denn § 90 Abs. 1 SGB XII, der in § 115 Abs. 2 Satz 2 ZPO in Bezug genommen wird, spricht das „verwertbare Vermögen” an. Dazu gehören auch Forderungen, die realisierbar sind; d. h. der Schuldner muss zahlungsbereit sein oder es müssen hinreichende Vollstreckungsaussichten bestehen (so Zöller...