Entscheidungsstichwort (Thema)

nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage

 

Leitsatz (amtlich)

Zur zumutbaren Restfrist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage, wenn der Arbeitnehmer die im Urlaub zu Hause zugegangene Kündigung bei Rückkehr vorfindet und die Klagefrist nach § 4 KSchG noch nicht abgelaufen ist.

 

Normenkette

KSchG § 5; BGB § 130

 

Verfahrensgang

ArbG Jena (Aktenzeichen 3 Ca 315/00)

 

Tenor

Die Kündigungsschutzklage wird nachträglich zugelassen.

Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 8.754,00 DM festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Parteien streiten im Nebenverfahren nach § 5 KSchG über die nachträgliche Zulassung einer verspäteten Kündigungsschutzklage.

Seit dem 13.06.2000 war für den Kläger Kurzarbeit Null angeordnet. Er hatte Urlaub vom 03.07. bis 10.08.2000, kehrte am 19.08.2000 (Samstag) nach Hause zurück und fand dort den Einschreibebrief der Beklagten mit einer betriebsbedingten Kündigung vom 28.07.2000 vor, der seinem Sohn am 29.07.2000 (Samstag) übergeben worden war. Mit Schreiben vom 24.08.2000 (Donnerstag) – am folgenden Tag beim Arbeitsgericht eingegangen – erhob er Kündigungsschutzklage und bat um deren nachträgliche Zulassung.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage mit Beschluß vom 26.10.2000 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klagefrist gegen die am 29.07.2000 (Samstag) zugegangene Kündigung sei am 21.08.2000 (Montag) abgelaufen. Der Kläger sei aber schon am 19.08.2000 (Samstag) zurückgekommen. Ihm sei zuzumuten gewesen, am 21.08.2000 zumindest fristwahrend Klage zu erheben. Darüber hinaus habe der Kläger mit einer betriebsbedingten Kündigung rechnen müssen. Gegen den ihm am 28.11.2000 zugestellten Beschluß hat der Kläger am 11.12.2000 sofortige Beschwerde einlegen lassen.

II.

A. Die sofortige Beschwerde (§§ 5 Abs. 4 S. 2 KSchG, 78 Abs. 1 ArbGG, 577 Abs. 2, 567 ff ZPO) ist begründet. Der Kläger hat es nicht vorwerfbar versäumt, die Kündigungsschutzklage rechtzeitig zu erheben.

1. Auch wenn die Beklagte gewußt haben sollte, daß der Kläger seinen Urlaub nicht zu Hause verbrachte, ging die an die Wohnanschrift verschickte Kündigung mit Aushändigung des Einschreibebriefes an den Sohn am 29.07.2000 zu (BAG vom 16.03.1988 AP Nr. 16 zu § 130 BGB). Das war ein Samstag. Die Klagefrist lief drei Wochen später mit Ablauf des folgenden Werktages ab (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 193 BGB). Das war der 21.08.2000, ein Montag. Soweit hat das Arbeitsgericht recht.

2. Das Arbeitsgericht stellt fest, der Kläger habe mit einer Kündigung rechnen müssen, läßt aber offen, was daraus folgt. Offenbar soll sich der Kläger als Verschulden zurechnen lassen, daß er sich während seiner Abwesenheit auf die möglicherweise zu Hause eingehende Kündigung nicht eingestellt hat. Ein Arbeitnehmer muß sich nicht am Wohnort aufhalten, weil er mit einer Kündigung rechnet (APS-Ascheid, 1. Aufl. 2000, § 5 KSchG Rz. 51). Fehlende Kenntnis von der zu Hause zugegangenen Kündigung soll nach verbreiteter Ansicht aber ausnahmsweise als Verschulden zugerechnet werden, wenn der Arbeitnehmer konkreten Anlaß zur Annahme hatte, daß ihm während des Urlaubs oder der Ortsabwesenheit gekündigt wird, und er nicht für die Postnachsendung sorgt oder dafür, daß die zu Hause eingehende Post durchgesehen wird (LAG Nürnberg vom 06.11.1995, LAGE Nr. 71 zu § 5 KSchG; LAG Berlin vom 11.03.1982, ZIP 1982, 614; KR-Friedrich, 5. Aufl. 1998, § 5 KSchG Rz. 59; Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG, § 5 Rz. 128, Stand Juni 1999; Löwisch, KSchG, 8. Aufl. 2000, § 5 Rz. 17; a. A. LAG Hamm vom 28.03.1996 LAGE Nr. 78 zu § 5 KSchG). Ob das überzeugt, kann offenbleiben. Hier war nicht ausnahmsweise eine gesteigerte Sorgfalt veranlaßt. Daß mit betriebsbedingten Kündigungen generell zu rechnen war, reicht nicht. Kündigt der Arbeitgeber eine Kündigung im Einzelfall ausdrücklich an, muß er das zeitlich schon eingrenzen, wenn er mit Ortsabwesenheit des betroffenen Arbeitnehmers rechnen muß, weil eine Arbeitspflicht nicht besteht. Erwartete die Beklagte also ausgerechnet im Urlaub eine gesteigerte Aufmerksamkeit des Klägers für ihre (Kündigungs-) Angelegenheit, hätte sie das deutlich machen müssen. Sie behauptet aber nur, die Kündigung sei vor Urlaubsantritt angekündigt worden. Das ist im Tatsächlichen unsubstantiiert und im Rechtlichen unerheblich.

3. Bei Urlaubsrückkehr am 19.08.2000 (Samstag) war die Klagefrist noch nicht abgelaufen. In der verbleibenden Restfrist bis Ablauf des 21.08.2000 (Montag) mußte der Kläger die Kündigungsschutzklage nicht erheben.

a. Die Frist des § 4 KSchG ist ihrem Zweck nach eine Überlegungsfrist (BAG vom 26.06.1986 BAGE 52, 263), die der Arbeitnehmer bis zum letzten Tag ausnutzen darf. Das bedeutet allerdings nicht, daß er stets drei Wochen zum Überlegen hat (so schon LAG Hamm vom 05.08.1981 EzA Nr. 11 zu § 5 KSchG). Die Frist verkürzt sich, wenn der Arbeitnehmer die Kündigung – wie hier – wegen Ortsabwesenhei...

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