Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung wegen Falschbeantwortung der Frage nach einer Stasi-Mitarbeit
Leitsatz (amtlich)
Bei Übertragung von hoheitlichen Befugnissen (hier: polizeiliche Aufsichtsbefugnisse nach § 139 b GewerbeO) darf regelmäßig nach einer 1970 noch nicht abgeschlossenen MfS-Mitarbeit gefragt werden (im Anschluß an BAG vom 28.05.1998, AP Nr. 46 zu § 123 BGB).
Normenkette
BGB § 123
Verfahrensgang
ArbG Gera (Aktenzeichen 2 Ca 3422/95) |
Tenor
Auf die Berufung des beklagten Freistaates wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 16.06.1999, 2 Ca 3422/95, abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im nunmehr vierten Prozeß über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses wegen Falschbeantwortung der Frage nach einer Zusammenarbeit mit dem MfS.
Seit 01.12.1991 war der zuvor bei der Treuhandanstalt tätige Kläger im Amt für Arbeitsschutz G. als Abteilungsleiter im Technischen Aufsichtsdienst beschäftigt, zuletzt gegen eine Vergütung nach Vergütungsgruppe II a BAT – O. Er war nach dem im Berufungsverfahren zur Akte gereichten Arbeitszeugnis mit den Rechten und Befugnissen des Gewerbeaufsichtsbeamten nach § 139 b GewerbeO ausgestattet (Bl. 176 d. A.). Im Bewerbungsverfahren hatte er am 17.06.1991 im Fragebogen für den öffentlichen Dienst angegeben, als Betriebsdirektor/Personalleiter des VEB I. H. zwangsweise Kontakte zum MFS gehabt zu haben und als Student zwecks Aufnahme einer hauptamtlichen Tätigkeit nach Ende des Studiums ohne Erfolg angesprochen worden zu sein. Die Überprüfung des Kläger durch die Gauck-Behörde ergab, dass er Informeller Mitarbeiter des MfS war und zwar zunächst als Student aufgrund Verpflichtungserklärung vom 13.11.1961 und später als Personalleiter/Betriebsdirektor des VEB I. H. aufgrund Verpflichtungserklärung vom 23.04.1968. Die zweite IM-Phase endete 1975. Die Gauck-Auskunft ging dem Beklagten am 09.08.1994 zu, der den Kläger am 16.8.1994 anhörte und mit Schreiben vom 30.09.1994 außerordentlich zum 15.10.1994 kündigte (Bl. 13 d. A.). Seither wird der Kläger nicht mehr beschäftigt. Der Kläger erhob beim Arbeitsgericht Gera Kündigungsschutzklage. Dieser – erste – Prozeß wurde unter der Geschäftsnummer 6 Ca 3115/94 geführt.
Mit Schreiben vom 27.12.1994 kündigte der Beklagte hilfsweise ordentlich zum 31.03.1995 (Bl. 14 d. A.). Der Kläger klagte. Das – zweite – Kündigungsschutzverfahren 5 Ca 142/95 wurde vom Arbeitsgericht Gera nach § 148 ZPO wegen Vorgreiflichkeit der außerordentlichen Kündigung ausgesetzt.
Mit Schreiben vom 31.07.1995 (Bl. 11 d. A.) erklärte der Beklagte die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und kündigte mit Schreiben vom 04.08.1995 erneut hilfsweise ordentlich zum 30.09.1995 (Bl. 12 d. A.). Der Kläger klagte gegen beide Beendigungstatbestände. Er verlangte die Feststellung der Unwirksamkeit von Anfechtung und Kündigung nebst Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und seine Weiterbeschäftigung (Bl. 3 d. A.). Der – dritte – Prozeß erhielt die Geschäftsnummer 2 Ca 2697/95.
Im – ersten- Prozeß 6 Ca 3115/94 stellte das Arbeitsgericht mit Urteil vom 11.09.1995 die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 30.09.1994 fest. Der Beklagte akzeptierte die Entscheidung. Sie wurde rechtskräftig. Im – dritten – Prozeß 2 Ca 2687/95 trennte das Arbeitsgericht daraufhin den Rechtsstreit über die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 04.08.1995 zum 30.09.1995 und über die Weiterbeschäftigung ab. Dieser – vierte – Prozeß erhielt die Geschäftsnummer 2 Ca 3422/95. Er wurde nach § 148 wegen Vorgreiflichkeit der Verfahren 2 Ca 2697/95 (Anfechtung) und 5 Ca 142/95 (ordentliche Kündigung vom 27.12.1994 zum 31.3.1995) nach § 148 ZPO ausgesetzt (Bl. 147 d. A.).
Im – dritten- Prozeß 2 Ca 2687/95 erkannte das ArbG mit Urteil vom 05.03.1996 (Bl. 54 – 68 d. A.), daß die Anfechtung des Beklagten vom 31.07.1995 nach § 123 BGB wirksam ist. Die Klage wurde abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Er legte die im Urteil des Landesarbeitsgerichtes vom 23.07.1997, 4 Sa 165/96, zugelassene Revision zum Bundesarbeitsgericht ein (2 AZR 11/98), nahm dann aber die Klage mit Schriftsatz vom 26.08.1998 zurück (Bl. 148 d. A.), wozu das Bundesarbeitsgericht – wie beide Parteien vortragen – wegen doppelter Rechtshängigkeit zum Verfahren 5 Ca 142/95 – geraten habe (Bl. 31 – 168 d. A.).
Beim Arbeitsgericht Gera wurde jetzt der ausgesetzte – zweite – Prozeß 5 Ca 142/95 wieder aufgenommen. Der Beklagte nahm in der Kammerverhandlung vom 17.12.1998 die dort angegriffene Kündigung vom 27.12.1994 zurück. Der Kläger war einverstanden und nahm seine Klage zurück (Bl. 27. d. A.).
Nun wurde der übriggebliebene und ebenfalls ausgesetzte – vierte – Prozeß 2 Ca 3422/95 wieder aufgenommen, um dessen Entscheidung es jetzt geht. Der Kläger stellte im Kammertermin vom 28.04.1999 zu Protokoll (Bl. 87 d. A.) den Antrag festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis weder durch die Anfechtung vom 31.0...