Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuordnung des Arbeitnehmers bei mehreren zeitgleichen Betriebsübergängen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Findet während der Freistellung eines Arbeitnehmers (hier: Elternzeit) ein Betriebs(teil)übergang statt, erfolgt die Zuordnung des Arbeitsverhältnisses nach dem zuletzt innegehabten Arbeitsplatz vor der Freistellung (BAG 31. Januar 2008 – 8 AZR 27/07). Hierbei ist wiederum auf die tatsächliche Eingliederung des Arbeitnehmers in den übergehenden Betrieb(steil) abzustellen.

2. Ist eine objektive Zuordnung des Arbeitnehmers nicht möglich, steht ihm ein Wahlrecht zu, ob er dem verbleibenden oder dem übergehenden Betrieb(steil) zugeordnet werden will. Das gilt auch in den Fällen, in denen der Arbeitgeber seinen Betrieb in zwei Betriebe spaltet, die zeitgleich nach § 613 a BGB auf einen anderen Erwerber übergehen. Hier kann der Arbeitnehmer wählen, auf welchen Erwerber sein Arbeitsverhältnis übergehen soll.

 

Normenkette

BGB § 613a

 

Verfahrensgang

ArbG Erfurt (Urteil vom 01.11.2010; Aktenzeichen 4 Ca 1151/10)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 1. November 2010 – 4 Ca 1151/10 – teilweise abgeändert.

Es wird festgestellt, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2) ein Arbeitsverhältnis besteht.

Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, die Klägerin als Service-Mitarbeiterin zu unveränderten Arbeitsbedingungen nach den Tarifverträgen der V. weiterzubeschäftigen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu 33,33 v. H. und die Beklagte zu 2) zu 66,67 v. H. zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zuweisung der Klägerin zum Betrieb Backoffice durch die Beklagte zu 1), über den Bestand des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten zu 2) und über deren Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung der Klägerin.

Die Klägerin war zunächst bei der Deutschen Telekom AG (fortan: DT AG) beschäftigt. Die DT AG gliederte ihr Callcenter in E. im Jahr 2006 aus und veräußerte dieses an die V. GmbH (V.). Die Klägerin war vom 1. April 2006 bis 30. Mai 2007 bei der V. im Callcenter C.er Straße 4 in E. beschäftigt. Das Callcenter ging am 1. Mai 2007 nach § 613 a BGB auf die Beklagte zu 1), die dem B.-Konzern angehört, über.

In dem Callcenter wurden neben der Telefontätigkeit Backofficetätigkeiten ausgeführt. Diese Tätigkeiten umfassten kaufmännische und administrative Endkundenprozesse. Es wurden Anfragen und Aufträge schriftlicher Art, per Fax oder Mail bearbeitet. Der Telefon- und der Backofficebereich waren nicht getrennt. Die Mitarbeiter konnten beide Tätigkeiten von ihrem Arbeitsplatz aus wahrnehmen.

Die Beklagte zu 1) bot sämtlichen von der V. übernommenen Mitarbeitern, so auch der Klägerin, einen neuen Arbeitsvertrag (Bl. 18 ff. d. A.) an. Der Arbeitsvertragsentwurf enthielt verschlechternde Bedingungen, so u. a. eine Erhöhung der Arbeitszeit von 38 auf 40 Wochenstunden, eine Absenkung des Bruttomonatsgehaltes und die Ersetzung der bis dahin geltenden tariflichen Regelungen der DT AG durch die der V.. Die Klägerin und über 40 weitere Mitarbeiter nahmen das Angebot nicht an.

Die tariflichen Bestimmungen der V. wurden auf das Arbeitsverhältnis angewandt. Die Klägerin erhob hiergegen Klage (anhängig beim Bundesarbeitsgericht unter 4 AZR 579/10).

Die Klägerin befand sich vom 27. Dezember 2008 bis 7. Februar 2011 in Elternzeit. Sie war bis zu diesem Zeitpunkt auch im sogenannten Frontoffice bzw. der Hotline im Rahmen des unmittelbaren telefonischen Kundenkontakts eingesetzt und während eines Zeitraums von mehr als zwei Monaten ausschließlich mit diesen Tätigkeiten betraut.

Ab 1. Juli 2009 wurden die Arbeitnehmer, die den Änderungsvertrag nicht angenommen hatten, organisatorisch und räumlich im Studio 5 b zusammengefasst und ausschließlich mit Backofficetätigkeiten beschäftigt. Die Mitarbeiter arbeiteten in Früh- und Spätschichten.

Im Callcenterbereich waren überwiegend neu eingestellte Mitarbeiter und die Mitarbeiter beschäftigt, die die Änderung ihrer vertraglichen Bedingungen akzeptiert hatten (Unterzeichner). Sie wurden rund um die Uhr eingesetzt, an sieben Tagen in der Woche 24 Stunden täglich.

Am 26. Oktober 2009 traf die Beklagte zu 1) die unternehmerische Entscheidung (Bl. 80 f. d. A.), den Betrieb mit 589 Arbeitnehmern in zwei eigenständige Betriebe zu spalten und nachfolgend an die a. b. E. GmbH und die a. t. E. GmbH zu verpachten.

Am 27. November 2009 kam im Rahmen einer Einigungsstelle zwischen der Beklagten zu 1) und deren Betriebsrat ein Interessenausgleich und eine freiwillige Betriebsvereinbarung zustande. Im Interessenausgleich wurde u. a. geregelt:

„…

I. Betriebsänderung

1. Spaltung

Der Betrieb der a. s. E. GmbH wird zum 07.12.2009 gespalten. Es entstehen 2 eigenständige Betriebe, zum einen der Betrieb Backoffice und zum anderen der Betrieb Service-Center Telekommunikation. Der Betrieb Backoffice umfasst das operative Geschäft des heutigen Betriebsteils Studio 5 b/Raum 2.10 a, 1. Etage in der ...

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