Entscheidungsstichwort (Thema)

Persönlicher Geltungsbereich des BetrAVG und Mitgliedschaft in einer Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH) nach DDR-Recht. Aussonderungsrecht aus der Insolvenzmasse

 

Leitsatz (amtlich)

1) Der persönliche Geltungsbereich des BetrAVG gem. § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG erstreckt sich auch auf Mitglieder einer Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH) nach DDR-Recht, wenn ihnen nach dem 01.01.1992 unter Berücksichtigung der bei der PGH zurückgelegten Beschäftigungszeiten und aus Anlass ihrer Tätigkeit für die PGH Leistungen der Altersversorgung zugesagt worden sind (vgl. auch Sächsisches LAG vom 24.10.2002, Az.: 6 Sa 36/02).

2) Dem aus der Versorgungszusage Berechtigten steht das Aussonderungsrecht gem. § 47 InsO zu, wenn das Bezugsrecht unwiderruflich geworden ist.

 

Normenkette

BetrAVG § 17 Abs. 1 S. 2; InsO § 47

 

Verfahrensgang

ArbG Erfurt (Urteil vom 23.07.2002; Aktenzeichen 8 Ca 796/02)

 

Tenor

1) Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 23.07.2002, Az.: 8 Ca 796/02, wird auf seine Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass dem Kläger hinsichtlich der von der Fa. E. K. GmbH bei der …-versicherungsgesellschaft a.G. auf ihn abgeschlossenen Direktversicherung, Versicherungsnummer …, Gruppenversicherungsnummer … ein Aussonderungsrecht aus der Insolvenzmasse der Fa. E. K. GmbH zusteht.

2) Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger ein Aussonderungsrecht hinsichtlich einer auf sein Leben abgeschlossenen Direktversicherung zusteht.

Der am 29.07.1950 geborene Kläger war seit 01.09.1967 bei der Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH) „E K.” als Elektroinstallateur beschäftigt. Die PGH wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 22.07.1990 in die E. K. GmbH umgewandelt. Zwischen dieser GmbH und dem Kläger wurde ab 01.07.1991 ein Arbeitsverhältnis begründet. Der Kläger hält einen Anteil von 1,63 % am Stammkapital der GmbH.

Über das Vermögen der GmbH wurde durch Beschluss des Amtsgerichts vom 29.05.2000 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter. Er hat das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31.08.2000 gekündigt.

Die Gemeinschuldnerin hat am 01.09.1992 eine Gruppenversicherung für die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer als zusätzliche Altersversorgung abgeschlossen. Hierzu findet sich im Geschäftsbericht aus dem Jahre 1992 u. a. folgender Hinweis (vgl. Bl. 10 d. A.):

Alle Mitarbeiter, die vor dem 01.01.1978 im Betrieb tätig sind, sind ab 01.09.1992 in eine zusätzliche Altersversorgung eingeschlossen.

Nach den vertraglich in Bezug genommenen „Allgemeinen Bestimmungen” räumten die Vertragsparteien den versicherten Personen ein unwiderrufliches Bezugsrecht – soweit hier einschlägig – wie folgt ein:

5. Vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Beleihung und Unverfallbarkeit

Der Abschluss dieser Versicherung schränkt die gesetzlichen und arbeitsvertraglichen Kündigungsrechte unserer Firma nicht ein.

Unserer Firma bleibt das Recht vorbehalten, alle Versicherungsleistungen für sich in Anspruch zu nehmen,

a) wenn Ihr Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalles endet, es sei denn,

  • Sie haben beim Ausscheiden das 35. Lebensjahr vollendet und das Arbeitsverhältnis hat 12 Jahre und die Versicherung 3 Jahre bestanden.

Soweit Ihnen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Eintritt des Versicherungsfalles unverfallbare Ansprüche i. S. des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung zustehen, erklären wir Ihnen hiermit schon jetzt, dass wir von der Möglichkeit des § 2 Abs. 2 S. 2 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung Gebrauch machen. Sie haben somit bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Recht, die Versicherung als Einzelversicherung beitragsfrei oder ohne erneute Gesundheitsprüfung beitragspflichtig zu den für Einzelversicherungen gültigen Beiträgen und Bedingungen der … versicherung fortzusetzen.

Der Beklagte hat das Bezugsrecht des Klägers am 10.07.2000 widerrufen.

Dagegen richtet sich die Klage. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Widerruf des Bezugsrecht sei unwirksam, da dieses unverfallbar geworden sei. Für die Dauer der Betriebszugehörigkeit seien auch die in der PGH zurückgelegten Dienstzeiten zu berücksichtigen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage nach den erstinstanzlich gestellten Anträgen stattgegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Urteils (Bl. 60 – 69 d. A.) verwiesen.

Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten.

Dieser ist unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens der Auffassung, der von ihm ausgeübte Widerruf sei gegenüber dem Versicherungsunternehmen wirksam, auch wenn er sich im Verhältnis zum Kläger wegen Verletzung seines Versorgungsversprechens schadensersatzpflichtig gemacht haben sollte. Das Bezugsrecht des Klägers sei aber auch nicht unwiderruflich geworden, denn die Tätigkeit des Klägers als Mitglied einer PGH könne nicht als Betriebszugehörigkeit...

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