Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitgegenstand einer Befristungskontrollklage bei Kettenbefristung. Unbegründete Befristungskontrollklage zur Sachgrundbefristung wegen vorübergehenden betrieblichen Bedarfs bei unzureichenden Darlegungen der Arbeitnehmerin zur fehlenden Kausalität zwischen Förderprogrammen und Beschäftigung
Leitsatz (amtlich)
1. Zum Streitgegenstand einer Befristungskontrollklage bei Kettenbefristung.
2. Anforderungen an die Darlegungslast für einen sachlichen Befristungsgrund für eine zweimonatige An- und Abschlussbefristung.
Leitsatz (redaktionell)
1. Aus dem Wortlaut des § 17 Satz 1 TzBfG geht hervor, dass Gegenstand der Klage und der gerichtlichen Überprüfung nicht ein Arbeitsverhältnis oder ein Arbeitsvertrag, sondern die Befristungsabrede in einem Arbeitsvertrag ist.
2. Bei mehrfach aneinander anschließenden Befristungen ist zunächst festzustellen, was genau Gegenstand der Befristungskontrolle des Gerichts sein soll. Bei mehreren aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverträgen ist grundsätzlich nur die Befristung des letzten Arbeitsvertrags auf ihre Rechtfertigung zu prüfen.
3. Auf die Befristung des letzten Arbeitsvertrages ist dann nicht abzustellen, wenn damit das Rechtsverhältnis nicht auf völlig neue Grundlage gestellt wird, sondern der Anschlussvertrag nur ein unselbstständiger Annex ist. Das ist der Fall, wenn er lediglich eine verhältnismäßig geringfügige Korrektur des im früheren Vertrag vereinbarten Endzeitpunkts betrifft, diese Korrektur sich am Sachgrund für die Befristung des früheren Vertrags orientiert und allein in der Anpassung der ursprünglich vereinbarten Vertragslaufzeit an später eintretende und zum Zeitpunkt des vorangegangenen Vertragsabschlusses nicht vorhersehbare Umstände besteht.
4. Beruht die neue Befristungsabrede zwar auf dem den früheren Befristungsabreden zu Grunde liegenden Sachgrund und führt sie diesen wegen neu eintretender Umstände fort, ist allein die neue Befristungsabrede Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle, wenn hinsichtlich der dem sachlichen Grund zu Grunde liegenden Tatsachen eine nicht nur unwesentliche Änderung, die auch im Hinzutreten von tatsächlichen Umständen liegen kann, eingetreten ist.
5. Die Grenzziehung, ob ein unselbstständiger Annex oder ein vollkommen neues Vereinbarungskonstrukt vorliegt, und damit die Frage, ob lediglich auf die letzte Vereinbarung abzustellen ist oder auf eine davor, ist danach auszurichten, ob die Parteien hinsichtlich der Befristung ihre Rechtsbeziehung auf eine neue Grundlage stellen wollten, auch wenn sie im Übrigen einen älteren ursprünglichen Arbeitsvertrag, den sie damit verlängern, inhaltlich in Bezug auf seine weiteren Regelungen aufrechterhalten wollten oder nicht.
6. Im Rahmen der Sachgrundbefristung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG wegen vorübergehenden betrieblichen Bedarfs an der Arbeitsleistung ist der Arbeitgeber nicht gezwungen, den zeitweiligen Anstieg des Arbeitsvolumens komplett über befristet Beschäftigte abzudecken, denn es obliegt seiner freien Organisationsentscheidung, ob er den zusätzlichen Arbeitskräftebedarf ganz oder nur teilweise durch den Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen abdecken will. Das bedeutet auch, dass der Arbeitgeber frei entscheiden kann, wie er den zeitlich erhöhten Arbeitsdruck abdecken will.
7. Ein vorübergehender Bedarf aufgrund von Förderprogrammen und der Notwendigkeit, diese bis zum Jahresende 2015 abzuschließen, ist kausal für die Beschäftigung der Arbeitnehmerin in den Monaten November und Dezember 2015, wenn der beklagte Arbeitgeber ausdrücklich vorgetragen hat, dass die Klägerin während der gesamten Beschäftigungszeit ausschließlich mit Verwaltungsaufgaben im Rahmen dieser Förderprogramme beschäftigt war, und darüber hinaus im zweiten Rechtszug sogar noch einmal die Aufgaben der Klägerin umschrieben hat. Tritt die klagende Arbeitnehmerin einem derart ausführlichen Sachvortrag des Beklagten nicht mit tatsächlich begründeten Darlegungen entgegen, indem sie etwa vorträgt, was an der Aufgabenbeschreibung des Beklagten unzutreffend ist oder welche allgemeinen Verwaltungsaufgaben sie außerhalb der Förderprogramme ausgeübt hat, ist der Sachvortrag des Arbeitgebers der Entscheidungsfindung (mindestens) gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als unstreitig zu Grunde zu legen.
Normenkette
TzBfG §§ 17, 14, 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 17 S. 1; ZPO § 138 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Erfurt (Entscheidung vom 15.07.2016; Aktenzeichen 8 Ca 2776/15) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 15.07.2016 - 8 Ca 2776/15 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des I. Rechtszuges trägt die Klägerin, die Kosten des II. Rechtszuges trägt der Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Befristung ihres Arbeitsvertrages.
Nach einer Vollbeschäftigung als Elternzeitvertretung vom 7.1. bis 26.9.2013 war die Klägerin ab dem 1.1.201...