Entscheidungsstichwort (Thema)
Angemessenheit der Ausbildungsvergütung
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Ausbildungsvergütung, die 80% der einschlägigen tariflichen Ausbildungsvergütung unterschreitet, ist nicht angemessen i.S. von § 17 BBiG.
2. Eine niedrigere Ausbildungsvergütung kann ausnahmsweise angemessen sein, wenn der Ausbilder zusätzliche Ausbildungskapazitäten zur Verfügung stellt, um Jugendlichen mit Zugangshindernissen zum Ausbildungsmarkt besondere Chancen zu eröffnen. Dies setzt jedoch voraus, dass der Ausbildungsbetrieb vorträgt, warum der Auszubildende ohne seine Hilfe voraussichtlich keinen Ausbildungsplatz erhalten hätte oder besonderer Unterstützung und Förderung bedurfte.
Normenkette
BBiG § 17 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Gera (Entscheidung vom 10.10.2013; Aktenzeichen 3 Ca 61/13) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 10.10.2013 - 3 Ca 61/13 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Angemessenheit der Ausbildungsvergütung des Klägers.
Der nicht tarifgebundene Beklagte war ein seit April 2005 eingetragener Verein. Nach § 2 seiner Satzung war sein Zweck die Förderung der qualifizierten Berufsausbildung. § 4 der Satzung sah vor allem vor, dass Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie Mitglied werden können. Wegen der weiteren Einzelheiten des Inhalts der Satzung des Beklagten wird auf die zu den Akten gereichte Kopie hiervon (Bl. 87-90 Rückseite) verwiesen.
Der Beklagte stellte vor allem Jugendliche mit besonderen Ausbildungsschwierigkeiten ein, denen aufgrund schulischer Schwierigkeiten, komplizierter familiärer Verhältnisse und damit verbundener Erziehungsdefizite, aber auch wegen sprachlicher Schwierigkeiten in Einwandererfamilien der Zugang zur Ausbildung schwer fällt. Er verfolgte ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke und keine eigenen kommerziellen Interessen. Der Beklagte schloss mit Auszubildenden Ausbildungsverträge. Die Ausbildung wurde jeweils von einem der Mitgliedsunternehmen des Beklagten durchgeführt. Die Auszubildendengestellung durch den Beklagten und die Ausbildungsübernahme durch die Mitgliedsunternehmen wurden durch die Ausbildungsübernahmeverträge geregelt. Auf diese Weise schuf der Beklagte über die bei seinen Mitgliedern schon vorhandenen betrieblichen Ausbildungsplätze hinaus neue Ausbildungsmöglichkeiten für Jugendliche. Die Mitgliedsunternehmen stellten dem Beklagten zusätzlich zu den von ihnen selbst schon zur Verfügung gestellten Ausbildungsplätzen weitere zur Verfügung, welche sie sonst nicht geschaffen hätten. Damit gab der Beklagte Jugendlichen, die bei Wirtschaftsunternehmen direkt keine Ausbildungsstelle fänden, eine Perspektive für ein späteres Berufsleben. Der Beklagte finanzierte sich über Beiträge.
Eines der Mitgliedsunternehmen war die .............................. AG. Diese war Mitglied im Arbeitgeberverband der Metall und Elektroindustrie Thüringens. Ihr Vorstand war auch Vorstand der Beklagten. Die ............................. AG bildete auch selbst Auszubildende aus. Sie stellte zur Erfüllung ihrer Verpflichtung aus der Vereinsmitgliedschaft zusätzliche Ausbilder ein und wandte hierfür am Standort G... ca. 445.368,64 € auf. Die Sachinvestitionen für diese zusätzlichen Ausbildungsplätze beliefen sich auf 469.126,55 €.
Der am 21. Dezember 1982 geborene Kläger verfügte über einen Realschulabschluss. Er war Mitglied der IG Metall. Er bewarb sich bei der .................. AG um einen Ausbildungsplatz zum Industriemechaniker. Mitarbeiter der ..................... AG führten ein Vorstellungsgespräch mit ihm.
Unter dem 26.3.2010 schlossen die Parteien einen Ausbildungsvertrag. Dieser sah eine monatliche Ausbildungsvergütung i.H.v. 395,00 € brutto für das erste Lehrjahr, 420,00 € brutto für das zweite Lehrjahr, 440,00 € brutto für das dritte Lehrjahr und 460,00 € brutto für das vierte Lehrjahr vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Inhaltes dieses Vertrages wird auf die zu den Akten gereichte Kopie hiervon (Bl. 6-8 der Akte) verwiesen.
Während seiner Ausbildung erteilte die ............... AG dem Kläger unter dem 19.4.2012 eine Beanstandung mit der Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen. Im Zeitraum vom 7.11.2012 bis 3.1.2013 erteilte ihm der Beklagte fünf Abmahnungen wegen deren Inhaltes im Einzelnen auf die zu den Akten gereichten Kopien (Bl. 99 R-103 der Akte) verwiesen wird.
Unter dem 14.12.2012 unterschrieben die Parteien einen neuen Berufsausbildungsvertrag. Dieser sah eine monatliche Ausbildungsvergütung vor i.H.v. 679,00 € brutto für das erste Lehrjahr, 718,00 € brutto für das zweite Lehrjahr, 764,00 € brutto für das dritte Lehrjahr und 798,20 € für das vierte Lehrjahr vor. Außerdem vereinbarten sie unter Ziffer 16 dieses Ausbildungsvertrages eine dreimonatige Ausschlussfrist. Wegen der Einzelheiten des Inhaltes dieses Vertrages wird auf die zu den Akten gereicht...