Leitsatz (amtlich)

Personalabbau in mehreren Kündigungswellen als einheitliche Maßnahme und damit als Betriebsänderung i. S. v. § 111 Ziff. 1 BetrVG

 

Verfahrensgang

ArbG Gotha (Urteil vom 18.02.1997; Aktenzeichen 3 Ca 896/96)

 

Tenor

Es ergeht folgendes

Urteil:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gotha vom 18.02.1997 – Az.: 3 Ca 896/96 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Nachteilsausgleich i. S. von § 113 BetrVG

Die am 09.02.1945 geborene Klägerin war von 1973 bis 30.09.1996 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Gütekontrolleur/Abnahme mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von zuletzt 1.332,00 DM beschäftigt.

Von den bei der Beklagten vormals beschäftigten 56 Mitarbeitern kündigte die Beklagte am 29.08.1995 zwei Arbeitnehmerinnen, am 22.12.1995 einer Arbeitnehmerin, am 26.01.1996 drei Arbeitnehmerinnen und am 23.02.1996 vier weiteren Arbeitnehmerinnen, darunter auch der Klägerin. Von den letztgenannten vier Kündigungen sprach die Beklagte eine Kündigung zum 31.03.1996, eine Kündigung zum 31.05.1996 und die Kündigung der Klägerin sowie einer weiteren Mitarbeiterin zum 30.09.1996 aus.

Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigungen bestand bei der Beklagten ein Betriebsrat. Am 22.02.1996 vereinbarten Betriebsrat und Beklagte aufgrund der schwierigen branchenspezifischen und wirtschaftlichen Situation einen Abbau der Belegschaft von 56 auf 46 Mitarbeiter. Sie kamen überein, aufgrund der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens keinen Sozialplan zu vereinbaren. Dies legten sie schriftlich im Protokoll vom 22.02.1996 nieder.

Wegen des übrigen erstinstanzlichen Vertrags der Parteien, der gestellten Anträge und der richterlichen Feststellungen wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Arbeitsgericht Gotha hat der Klage mit Urteil vom 18.02.1997 stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 15.000,00 DM zu zahlen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:

Der bei der Beklagten erfolgte Personalabbau stelle eine Betriebsänderung dar. Die Beklagte habe zehn Arbeitsverhältnisse im Rahmen einer einheitlichen Unternehmerentscheidung betriebsbedingt gekündigt.

Gegen dieses der Beklagten am 10.03.1997 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10.04.1997 Berufung eingelegt und die Berufung am 07.05.1997 begründet. Einen Antrag hat die Beklagte in ihren Schriftsätzen nicht gestellt

Die Beklagte ist der Auffassung, ein Anspruch auf Nachteilsausgleich bestehe nur, wenn eine Massenentlassung vorliege und die Mitwirkungsrechte des Betriebsrates im Rahmen einer Betriebsänderung nicht eingehalten worden sein. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall

Sie habe den Betriebsrat im August 1995 davon in Kenntnis gesetzt, daß es aufgrund der schlechten Auftragslage zu Veränderungen im Betrieb kommen müsse, insbesondere habe sie einen Mitarbeiterabbau angekündigt. Innerhalb einer Versammlung sei der Betriebsrat über die genauen Hintergründe der angestrebten Maßnahme informiert und gemeinsam mit dem Betriebsrat ein Konzept erarbeitet worden, den Betrieb vor der Gesamtvollstreckung zu bewahren. Übereinstimmend sei für den Fall, daß sich die Auftragslage nicht verbessern sollte, der Abbau der Belegschaft und die Komprimierung des Produktionsablaufes festgelegt worden. Am 29.08.1995 sei den beiden Mitarbeiterinnen M. und E. mit Zustimmung des Betriebsrates gekündigt worden. Zum damaligen Zeitpunkt sei man davon ausgegangen, es sei nur erforderlich, diese beiden Arbeitnehmerinnen zu entlassen. Man habe mit einer Verbesserung der Auftragslage gerechnet. Da diese jedoch nicht eingetreten sei, seien weitere Entlassungen notwendig geworden. Ende 1995 habe die Beklagte erfahren, daß ihr Hauptauftraggeber, die Fa. B. H. in B. schließe.

Der Betriebsrat sei über die weiteren notwendigen Kündigungen informiert worden und habe diesen zugestimmt.

Schon aus dem langen Zeitraum zwischen den einzelnen Kündigungen sei erkennbar, daß es sich nicht um eine einheitliche unternehmerische Entscheidung handele, sondern daß entsprechend der fortschreitenden Zeit und der nicht vorhandenen Aufträge die Mitarbeiterinnen gekündigt worden seien.

Hilfsweise führt die Beklagte für den Fall des Bestehens eines Nachteilsausgleichsanspruchs aus, sie sei nicht in der Lage, den Betrag von 15.000,00 DM zu zahlen. Sie müsse in dem Fall Gesamtvollstreckungsantrag stellen. Insoweit liege Zahlungsunfähigkeit vor.

Im Termin der mündlichen Verhandlung beantragt die Beklagte,

das Urteil des Arbeitsgerichts Gotha vom 18.02.1997 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt unter Stellungnahme auf den Berufungsvortrag und unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens die entscheidungserheblichen Ausführungen des Arbeitsgerichts und vertritt nach wie vor die Auffassung, der vorgenommene Personalabbau stelle eine Betriebsänderung dar. Insbesondere beruhe der in mehreren Wellen ...

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