Leitsatz (amtlich)

Anrechnung von Wehrdienstzeiten bei den Grenztruppen der DDR als Eisenbahnerdienstzeit

 

Verfahrensgang

ArbG Erfurt (Urteil vom 24.10.1996; Aktenzeichen 9/1/9/3/7/3/5 Ca 382/93)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 24.10.1996 – 9/1/9/3/7/3/5 Ca 382/93 – abgeändert.

2. Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Zeit vom 02.11.1988 – 11.12.1989 als Dienstzeit im Sinne des § 12 AnTV-DR anzurechnen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob die Zeit des durch den Kläger abgeleisteten Grundwehrdienstes bei den Grenztruppen der DDR auf die Eisenbahndienstzeit (Beschäftigungszeit) im Sinne des Tarifvertrages für die Angestellten der … (im weiteren: AnTV-DR) anzurechnen ist

Der am 21.12.1965 geborene Kläger absolvierte im Zeitraum vom 01.09.1982 bis 15.07.1984 seine Lehrausbildung bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der …. Im Anschluß daran war er als Signal-Betriebsmonteur, Signal-Betriebsobermechaniker und Werkführer, letzteres im Angestelltenverhältnis, bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin ununterbrochen beschäftigt Lediglich in der Zeit vom 02.11.1988 bis 11.02.1989 ruhte das Arbeitsverhältnis, da der Kläger in dieser Zeit seinen Grundwehrdienst bei den Grenztruppen der ehemaligen DDR versah.

Seine Musterung erfolgte bereits 1983 zum Militärkraftfahrer. Im August 1988 bestimmte das Wehrkreiskommando W., daß der Kläger seinen Grundwehrdienst als Kraftfahrer bei den Grenztruppen abzuleisten hatte Demgemäß erfolgte im Zeitraum vom 02.11.1988 bis 27.01.1989 seine Grundausbildung zum Militärkraftfahrer. Danach wurde der Kläger als Fahrer eines Kleinlasters im rückwärtigen Dienst sowie eines Sankras eingesetzt.

Mit Bescheid vom 20.10.1992 setzte die Rechtsvorgängerin der Beklagten den Beginn der Dienstzeit des Klägers auf den 02.12.1989 (Tag nach der Entlassung aus dem Grundwehrdienst bei den Grenztruppen der ehemaligen DDR) fest (Bl. 9 und 10 d. A.). Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 22.12.1992 Widerspruch ein. Mit am 20.08.1993 am Arbeitsgericht eingegangener Klage wendet sich der Kläger gegen die Nichtberücksichtigung seiner Beschäftigungszeit im Zeitraum vom 01.09.1982 bis 01.12.1989.

Beide Parteien sind tarifgebunden.

Die damalige Beklagte – die … ist mit Wirkung vom 01.01.1994 auf die … (jetzige Beklagte) übergeleitet worden

Für die Berechnung der Dienstzeit sind folgende Tarifbestimmungen einschlägig:

§ 22 Abs. 1 des Tarifvertrages über die Sicherung der Einkommen und Arbeitsbedingungen für die zur … übergeleiteten Arbeitnehmer (ÜTV)

Vorzeiten

Sofern bei der … der Anspruch auf tarifvertragliche Leistungen eine Zeit der Zugehörigkeit zur … voraussetzt (z. B. Jubiläum, Vermögenswirksame Leistungen), sind auch die Zeiten, die bei den Rechtsvorgängern der … in einem ständigen Arbeitsverhältnis zurückgelegt oder angerechnet wurden, zu berücksichtigen.

§ 12 des Tarifvertrages für die Angestellten der … (AnTV-DR)

Dienstzeit

(1) 1. Eisenbahndienstzeit (Beschäftigungszeit) ist die in einem Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis bei der … zurückgelegte Zeit.

4. Von der Berücksichtigung als Eisenbahndienstzeit (Beschäftigungszeit) sind ausgeschlossen

  1. Zeiten jeglicher Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit (einschließlich der Verpflichtung zu informeller/inoffizieller Mitarbeit),
  2. Zeiten einer Tätigkeit als Angehöriger der Grenztruppen der DDR (AB 2),

Von einer Berücksichtigung als Eisenbahndienstzeit (Beschäftigungszeit) ausgeschlossen sind auch solche Zeiten, die vor einer Tätigkeit im Sinne der Buchstaben a) bis c) zurückgelegt worden sind

Ausführungsbestimmungen

2. Zeiten einer Tätigkeit als Angehöriger der Grenztruppen der DDR sind nicht ausgeschlossen, wenn der Angestellte nach der Einberufung als Wehrpflichtiger zu den Grenztruppen der DDR dort nur die Grundausbildung geleistet hat und im unmittelbaren Anschluß daran vom Grenztruppendienst freigestellt/vorzeitig entlassen worden ist, um bei der … wieder Arbeit im Lokfahrdienst, Zugbegleitdienst, Fahrdienstleiterdienst, Stellwerksdienst oder Rangierdienst zu leisten.

Der Angestellte muß hierüber einen lückenlosen Nachweis führen.

Die Beklagte hat zu § 22 Abs. 1 ÜTV folgenden Anwendungshinweis erlassen:

Die Zeiten in einem ständigen Arbeitsverhältnis mit der … unmittelbar vor der Leistung des Grundwehrdienstes bei den ehemaligen Grenztruppen der DDR ist zu berücksichtigen, wenn sich ein ständiges Arbeitsverhältnis mit der … unmittelbar nach Abschluß des Grenztruppendienstes anschloß. Die Zeiten des Grundwehrdienstes bei den Grenztruppen selbst bleibt ausgeschlossen.

Die Beklagte hat entsprechend dem Anwendungshinweis die Dienstzeiten des Klägers mit Ausnahme des noch strittigen Zeitraumes anerkannt. Streitig ist, ob auch der Zeitraum, in dem der Kläger seinen Grundwehrdienst leistete (02.11.1988–11.12.1989) als Beschäftigungszeit anz...

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