Entscheidungsstichwort (Thema)

Treuwidrigkeit der Berufung eines Arbeitnehmers auf die Verspätung des Zugangs der Kündigungserklärung während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Empfänger einer Willenserklärung kann sich nach Treu und Glauben nicht auf den verspäteten Zugang der Willenserklärung berufen, wenn er mit dem Zugang derartiger Erklärungen rechnen musste und keine geeigneten Vorkehrungen getroffen hat, dass diese ihn erreichen.

2. Ein Arbeitnehmer muss im bestehenden Arbeitsverhältnis und insbesondere während einer vereinbarten Probezeit immer mit dem Zugang einer Kündigung rechnen.

 

Normenkette

BGB § 622 Abs. 3, § 130 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Nordhausen (Entscheidung vom 30.04.2014; Aktenzeichen 2 Ca 1091/13)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Nordhausen vom 30.04.2014 - 2 Ca 1091/13 - abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 09.09.2013 nicht zum 23.09.2013, sondern erst mit Ablauf des 26.09.2013 beendet wurde.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu 92,11 v. H. und die Beklagte zu 7,89 v. H. zutragen.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Zugang der Kündigung.

Der Kläger wurde mit Arbeitsvertrag vom 02. August 2013 (Bl. 12 d. A.) als Monteur befristet für die Zeit vom 05. August 2013 bis 30. November 2013 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden und einem Stundenlohn von 8,00 EUR brutto bei der Beklagten eingestellt. Die Parteien vereinbarten in § 2 eine Probezeit von sechs Wochen mit einer beiderseitigen Kündigungsfrist während der Probezeit von zwei Wochen. Nach Ablauf der Probezeit sollte die Kündigungsfrist gemäß § 11 des Arbeitsvertrages zwei Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats betragen. Der Kläger wohnte zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages in ....., ...... ... Diese Anschrift war im Arbeitsvertrag angegeben.

Der Kläger zog zum 01. September 2013 in die .. ..... um. Dies teilte er der Beklagten nicht mit.

Der Kläger erkrankte ab 09. September 2013. Die am 09. September 2013 erstellte ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum vom 09. September 2013 bis 16. September 2013 lautet auf die vom Kläger im Arbeitsvertrag angegebene Adresse in der ...... Zwischen den Parteien steht im Streit, ob der Beklagten die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am 09. September 2013 - wie vom Kläger behauptet - oder am 11. September 2013 - wie von der Beklagten behauptet - zuging.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 09. September 2013 fristgemäß zum 23. September 2013, hilfsweise zum nächst möglichen Termin (Bl. 21 d. A.). Das Kündigungsschreiben war an die Adresse des Klägers in der ..... gerichtet. Die Beklagte gab die Kündigung am 10. September 2013 mittels Einwurfeinschreiben zur Post. Das Einwurfeinschreiben kam mit dem Poststempel 11. September 2013 und dem Vermerk vom 12. September 2013 "Empfänger unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln" (Bl. 22 d. A.) zurück. Die Beklagte setzte sich daraufhin telefonisch mit dem Kläger in Verbindung. Sie sandte, nachdem ihr der Kläger die neue Anschrift mitgeteilt hatte, die Kündigung vom 09. September 2013 mit Begleitschreiben vom 19. September 2013 (Bl. 14 d. A.) an die neue Anschrift ... ....., wo sie dem Kläger am 20. September 2013 zuging.

Der Kläger hat mit der am 09. Oktober 2013 beim Arbeitsgericht eingegangen Klage die Einhaltung der Kündigungsfrist bis zum 31. Oktober 2013 geltend gemacht. Er ist dabei von einem Zugang der Kündigung erst am 20. September 2013 ausgegangen, wogegen sich die Beklagte darauf berufen hat, der Kläger habe es unterlassen, über seine aktuelle Wohnanschrift zu informieren und auch keinen Nachsendeauftrag erteilt, so dass ihm bei pflichtgemäßem Verhalten die Kündigung am 11. September 2013 zugegangen wäre.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und festgestellt, das Arbeitsverhältnis sei nicht zum 23. September 2013 beendet worden, sondern habe bis zum 31. Oktober 2013 fortbestanden. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger müsse sich nicht so behandeln lassen, als sei ihm das Kündigungsschreiben bereits am 11. September 2013 zugegangen. Es sei weder ersichtlich, dass der Kläger mit einer Kündigung habe rechnen müssen, noch bestünden Anhaltspunkte für eine bewusste Täuschung. Bloße Saumseligkeit sei noch kein treuwidriges Vereiteln. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 74 f. d. A.) Bezug genommen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 03. September 2014 zugestellte Teilurteil mit dem am 30. September 2014 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und die Berufung am 29. Oktober 2014 begründet.

Die Beklagte ist der Auffassung, der Kläger habe den Zugang der Kündigung durch pflichtwidriges Verhalten...

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