Verfahrensgang
ArbG Suhl (Urteil vom 26.01.1993; Aktenzeichen 4 Ca 2763/92) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Suhl – 4 Ca 2763/92 – vom 26.01.1993 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung wegen mangelnder persönlicher Eignung des Klägers für den Schuldienst des beklagten Landes und die Verpflichtung des beklagten Landes zur Weiterbeschäftigung.
Der 46 Jahre alte Kläger war von 1973 bis 1979 als Lehrer und von 1979 bis 1982 als stellvertretender Direktor an der OS W. tätig. Er unterrichtete in den Fächern Geschichte und Staatsbürgerkunde. 1977 bis 1978 besuchte er die Bezirksparteischule. 1978 wurde dem Kläger vorgeschlagen, den Posten des Staatsbürgerkunde-Fachberaters zu übernehmen. Dies lehnte er ab. Von 1980 bis 1982 war er Schulparteisekretär. Von 1982 bis 1986 war er hauptamtlicher Mitarbeiter der SED-Kreisleitung. Wegen des Inhalts dieser Tätigkeit wird auf Bl. 160 der Akte Bezug genommen. Im April/Mai 1986 wurde dem Kläger in einer Kaderaussprache mitgeteilt, daß er aus der Kreisleitung ausscheide. Nach seinem Ausscheiden aus der Kreisleitung wurde er nicht mehr als Staatsbürgerkundelehrer eingesetzt. Das an ihn in der Folgezeit von der Parteigruppe der Schule gerichtete Ansinnen, für die Kollegen der Schule das Parteilehrjahr durchzuführen, lehnte er ab. 1989 wurde der Kläger noch einmal als stellvertrender Direktor eingesetzt. Eine Beförderung erhielt der Kläger nicht. Im Dezember 1991 und im April 1992 besuchte der Kläger einwöchige Seminare der Europäischen Akademie in O. mit Teilnehmern aus den alten und den neuen Bundesländern. Themenschwerpunkte dieser Seminare waren das Geschichtsbild der BRD und die Rolle des geteilten Deutschland, verfassungsrechtliche Fragen, Staatsaufbau, Grundrechte, Regierungssysteme Europas und insbesondere der BRD, sowie Förderalismus in Europa und der BRD. Derzeit wird der Kläger als Springer in den Fächern Sozialkunde, Geographie, Religion eingesetzt.
Mit Verabschiedung des vorläufigen Bildungsgesetzes vom 25.3.1991 (GVBl. S. 61) leitete das beklagte Land die Überprüfung der persönlichen Eignung aller im Landesdienst beschäftigten Lehrer ein. Zu diesem Zweck wurden bei den Schulämtern Kommissionen eingerichtet, denen der Schulamtsleiter, ein Mitglied des Kreisbildungsausschusses, ein Mitglied des Kollegiums der Schule und ein von der Elternversammlung der Schule gewählter Elternvertreter angehört haben. Die Überprüfung durch diese „schulnahen Kommissionen” (Kreiskommissionen) erfolgte im Sommer 1991.
Von den Kreiskommissionen sind Lehrerinnen und Lehrer als politisch unbedenklich eingestuft worden, die gleichgelagerte bzw. teilweise höhere politische Funktionen in der ehemaligen DDR bekleideten, als die, welche der Kläger eingenommen hat.
Bei der Überprüfung durch die Kreiskommissionen gab es noch nicht die Richtlinien des beklagten Landes zur Lehrerüberprüfung und es war nicht Aufgabe dieser Kommissionen anhand von politischen Charakteristika die Lehrerinnen und Lehrer zu beurteilen, sondern aufgrund der Kenntnis dieser Kommissionen über die örtlichen Gegebenheiten, Situationen und Personen, den Leumund der zu überprüfenden Lehrerinnen und Lehrer, und konkreter Verfehlungen. Eine Revision einer den Verbleib im Schuldienst bestätigenden Entscheidung der Kreiskommissionen durch durch das Kultusministerium erfolgte nicht. Schriftliche Unterlagen über die Entscheidungsfindung der Kreiskommissionen existieren nicht.
In etwa 4.500 Fällen legten die Kommissionen die Sache wegen bestehender Bedenken dem Kultusministerium vor. Bei dem Kultusministerium wurde im August 1991 eine zweite Kommission mit dem Sitz in W. eingerichtet. Diese bestand aus mehreren Arbeitsgruppen, die jeweils mit zwei Lehrern aus Thüringen und einem Volljuristen besetzt waren. Bei der Prüfung nach Aktenlage kam diese Kommission zu dem Ergebnis, daß in 1.500 Fällen die Bedenken nicht aufrechtzuerhalten seien. Die übriggebliebenen 3.000 Bediensteten wurden mündlich angehört. In mehr als 1.000 Fällen führte die Anhörung zum Wegfall der Zweifel. Das Kultusministerium hat jeden Fall nach dem Anhörungsverfahren nochmals geprüft. Nach Abzug der durch Aufhebungsvertrag oder auf andere Weise beendeten Arbeitsverhältnisse verblieben 1.483 Fälle, in denen die Kündigung eingeleitet wurde.
Der Kläger selbst wurde am 18.11.1991 vor der „Weimarkommission” angehört. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des zu den Akten gereichten Anhörungsprotokolls (Bl. 139–144 d.A.) Bezug genommen.
Am 18.2.1992 verabschiedete die Thüringer Landesregierung Richtlinien für die ordentliche Kündigung von Lehrern und Erziehern wegen mangelnder persönlicher Eignung für den Landesdienst (ThürStAnz 1992 S. 359 in der Anlage).
Mit Schreiben vom 22.5.1992, dem Kläger zugegangen am 5.6.1992, kündigte das beklagte Land das Arbeitsver...