Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Ausübung des Widerspruchsrechts des Arbeitnehmers nach einem erneuten Betriebsübergang. Verwirkung des Widerspruchsrechts
Leitsatz (redaktionell)
1. Der gegen den früheren Arbeitgeber gerichtete Widerspruch des Arbeitnehmers gegen einen Betriebsübergang geht ins Leere, wenn inzwischen ein weiterer Betriebsübergang stattgefunden hat.
2. Der Arbeitnehmer hat sein Widerspruchsrecht verwirkt, wenn der Widerspruch erst vier Jahre nach dem Betriebsübergang erklärt wird und zwischenzeitlich nach Abschluss eines Sanierungsarbeitsvertrages mit dem neuen Arbeitgeber in einem im Kündigungsschutzprozess geschlossenen Vergleich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestätigt worden ist.
Normenkette
BGB § 613a Abs. 1 S. 1, Abs. 6 S. 1; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Gera (Entscheidung vom 02.08.2012; Aktenzeichen 3 Ca 130/12) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteils des Arbeitsgerichts Gera vom 02.08.2012, 3 Ca 130/12, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht.
Seit 1991 arbeitete die Klägerin bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin. Der Beschäftigungsbetrieb, ein Callcenter in G...., ging am 01.09.2007 von der Beklagten auf die V....... C....... S....... GmbH (VCS) über und am 01.12.2008 von der VCS auf die T...... s....... c...... G.... GmbH (T.......). Das Arbeitsverhältnis der Klägerin wurde vom Betriebserwerber jeweils fortgesetzt. Mit der T....... schloss die Klägerin am 21.12.2009 einen sog. Sanierungsarbeitsvertrag, dessen § 1 auszugsweise lautet:
Der Arbeitsvertrag regelt abschließend und vollständig die individualrechtlichen Rechte und Pflichten zwischen den Parteien mit Wirkung ab dem 01.01.2010.
Er löst die bis dahin bestehenden individuellen Regelungen vollständig ab, insbesondere gelten in dem Arbeitsverhältnis seit dem 01.01.2010 keine tarifvertraglichen Regelungen kollektivrechtlich oder individualrechtlich.
Die Unterrichtung über den ersten Betriebsübergang war fehlerhaft, wie das Bundesarbeitsgericht in einem Parallelfall mit Urteil vom 26.05.2011, 8 AZR 18/10, klärte. Mit Schreiben vom 13.10.2011 widersprach die Klägerin deshalb gegenüber der Beklagten nachträglich dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die VCS. Dem weiteren Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die T..... widersprach sie nicht.
Wegen Betriebsschließung kündigte die T...... betriebsbedingt zum 30.06.2012. Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage, die erstinstanzlich keinen Erfolg hatte. Im Berufungsverfahren 3 Sa 418/12 stellte das Thüringer Landesarbeitsgericht am 09.07.2013 nach § 278 Abs.6 ZPO auszugsweise folgenden Vergleich fest:
1. Die klagende Partei nimmt hiermit ihre Berufung zurück. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das mit der Berufung angegriffene erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichtes Gera rechtskräftig ist.
2. Die Beklagte zahlt an die klagende Partei eine weitere Abfindung in Höhe von 2000 Euro brutto. Auf diese weitere Abfindung wird eine Abfindung laut Sozialplan wegen der Betriebsstilllegung zum 30.06.2012 nicht angerechnet.
.......
Soweit im zweiten Rechtszug noch von Interesse hat die Klägerin im Rechtsstreit hier die Feststellung verlangt, dass mit der Beklagten über den 01.09.2007 hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 02.08.2012 abgewiesen. Auf den Tatbestand wird ergänzend Bezug genommen. Zur Begründung ist ausgeführt, der Widerspruch vom 13.10.2011 sei unwirksam. Das Widerspruchsrecht nach § 613 a Abs.6 BGB sei verwirkt.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 23.08.2012 zugestellte Urteil am 24.09.2012 (Montag) Berufung eingelegt und nach Fristverlängerung zum 23.11.2012 am 05.11.2012 begründet.
Die Berufung rügt, das Arbeitsgericht verkenne die Voraussetzungen der Verwirkung. Es fehle das erforderliche Umstandsmoment.
Die Berufung beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichtes Gera vom 02.08.2012, 3 Ca 130/12 teilweise abzuändern und festzustellen, dass zwischen den Parteien über den 01.09.2007 hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung und meint ergänzend, nach dem zweiten Übergang ihres Arbeitsverhältnisses von der VCS auf die T....... habe die Klägerin dem ersten Übergang ihres Arbeitsverhältnisses von der Beklagten auf die VCS nicht mehr widersprechen können.
Ergänzend wird auf die in der zweiten Instanz gewechselten Schriftsätze und auf das Protokoll der Berufungsverhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Seit dem 01.09.2007 besteht zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis mehr.
Nach § 613 a Abs.1 S.1 BGB ist die Beklagte zum 31.08.2007 wegen Betriebsüberganges auf die VCS aus der Arbeitgeberstellung ausgeschieden. Der mit Schreiben vom 13.10.2011 erklärte Widerspruch der...