Entscheidungsstichwort (Thema)

Anpassung der betrieblichen Altersversorgung einer Gewerkschaftssekretärin. Unbegründete Leistungsklage bei unerheblichen Einwendungen der Arbeitnehmerin zum Drei-Jahres-Rhythmus der Anpassungsprüfung und zur wirtschaftlichen Lage der Gewerkschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Gemäß § 16 Abs. 1 BetrAVG ist die Arbeitgeberin verpflichtet, alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und darüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Die Arbeitgeberin hat folglich in zeitlichen Abständen von jeweils drei Jahren nach dem individuellen Leistungsbeginn eine Anpassungsprüfung vorzunehmen.

2. Der gesetzlich vorgeschriebene Drei-Jahres-Rhythmus zwingt nicht zu starren individuellen Prüfterminen. Die Arbeitgeberin kann alle in einem Jahr anfallenden Prüftermine zu einem einheitlichen Jahresprüftermin bündeln und auf diese Weise einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand verhindern, was die Interessen ihrer Versorgungsempfänger nur geringfügig beeinträchtigt, da sich die Anpassung durch den gemeinsamen Anpassungsstichtag nicht um mehr als sechs Monate verzögern darf.

3. Im Hinblick auf die Prüfung ihrer wirtschaftlichen Lage hat eine Gewerkschaft die Freiheit, über ihre koalitionspolitischen Aufgaben und die Form, die Art und Weise sowie die Intensität der Aufgabenerfüllung selbst frei zu bestimmen. Gerichten für Arbeitssachen ist es grundsätzlich untersagt, die Verwendung der Einkünfte einer Gewerkschaft im Einzelnen zu überprüfen oder gar zu bewerten.

4. Zur Darlegung ihrer wirtschaftlichen Lage braucht eine Gewerkschaft nicht im Einzelnen darzulegen, wie sich eine verlangte Rentenanpassung auf den Bestand ihrer Mittel auswirken würde. Eine Gewerkschaft darf die ihr zur Verfügung stehenden Mittel ohnehin nur zu den satzungsmäßig festgelegten koalitionspolitischen Zwecken verwenden, wobei sie in der Festlegung dieser koalitionspolitischen Aufgaben frei ist.

5. Eine unter dem Schutz des Art 19 Abs. 3 GG stehende Gewerkschaft muss zur Finanzierung eines Anpassungsverlangens nicht auf die Ausübung der von ihr selbst bestimmten koalitionspolitischen Aufgaben verzichten oder diese auch nur einschränken. Sie muss auch nicht im Einzelnen darlegen, warum sie in anderen Bereichen keine Einsparungen vorgenommen oder anderweitige Ausgaben getätigt hat, statt diese Mittel für ihre Rentenanpassung zu verwenden.

6. Entspricht angesichts der wirtschaftlichen Lage der beklagten Gewerkschaft ihre Entscheidung, die betriebliche Altersversorgung zum Prüftermin nicht an die Entwicklung des Kaufkraftverlustes anzupassen, billigem Ermessen gemäß § 315 BGB, darf sie davon ausgehen, dass sie auch bis zum nächsten Anpassungsstichtag die für die Anpassung erforderlichen wirtschaftlichen Mittel nicht zur Verfügung haben wird.

 

Normenkette

BetrAVG § 16; GG Art. 19 Abs. 3; BetrAVG § 16 Abs. 1; BGB § 315

 

Verfahrensgang

ArbG Suhl (Entscheidung vom 19.01.2016; Aktenzeichen 3 Ca 679/15)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Suhl vom 19.01.2016 - 3 Ca 679/15 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt eine auf den Eintritt ihres Versorgungsfalls rückwirkende Erhöhung ihrer betrieblichen Altersversorgung und deren spätere Anpassung nach § 16 BetrAVG.

Die am 28.12.1949 geborene Klägerin trat am 11.02.1991 als Rechts- bzw. Gewerkschaftssekretärin in die Dienste der Gewerkschaft ..... In den Arbeitsverträgen der Klägerin wurden die Bestimmungen des kollektiven Vertrags der Allgemeinen Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten der Gewerkschaft ..... in ihrer jeweils gültigen Fassung in Bezug genommen. Die .... lauten auszugsweise:

§ 6 Zusätzliche Altersversorgung

(1) Die Gewerkschaft .... ist Mitglied der Unterstützungskasse des .... e.V. Die zusätzliche Altersversorgung ihrer Beschäftigten ist geregelt durch die Unterstützungsrichtlinien der Unterstützungskasse des .... e.V. und die Vereinbarung über die Zahlung von Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung.

(2) Beschäftigte werden nach den jeweils geltenden Unterstützungsrichtlinien der Unterstützungskasse des .... e.V. als Begünstigte angemeldet; (...).

Die ...meldete die Klägerin zum 01.02.1991 bei dieser Unterstützungskasse an. Zu dieser Zeit galten die "Unterstützungs-Richtlinien 1983 - Versorgungsordnung für die Beschäftigten der Gewerkschaften, des DGB und der gewerkschaftlichen Einrichtungen, die ab 1983 eingestellt worden sind" vom 11.05.1983 (UR 83). Hinsichtlich der UR 83 in der Fassung von Mai 2006 (UR 83 a.F.) wird auf Bl. 160 ff. und hinsichtlich der UR 83 idF von November 2010 (UR 83 n.F.) auf Bl. 953 ff d.A. verwiesen. Ihre Regelungen lauten auszugsweise wie folgt:

§ 1 Leistungen, Geltungsbereich

(...)

(1) Diese Unterstützungs-Richtlinien gelten für Unterstützungsempfänger sowie Begünstigte, die ab 01.01.1983 bei einem Mitglied der Unterstützungskasse eingestellt werden (Unterstützungs-Richtlinien 1983).

§ 5 Versorgungsfä...

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