Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksame betriebsbedingte Kündigung eines Hausmeisters bei unzureichenden Darlegungen der Arbeitgeberin zur unternehmerischen Organisationsentscheidung
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine betriebsbedingte Kündigung ist unter Berücksichtigung des allgemeinen Kündigungsschutzes wirksam, wenn gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 Alt. 3 KSchG dringende betriebliche Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung des Arbeitsnehmers entgegenstehen. Inner- und außerbetriebliche Umstände begründen nur dann ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Kündigung, wenn sie sich auch konkret auf die Einsatzmöglichkeit des gekündigten Arbeitnehmers auswirken.
2. Als Grundlage für eine betriebsbedingte Kündigung ist zwingend eine unternehmerische Entscheidung erforderlich. Dazu hat die Arbeitgeberin schlüssig darzulegen, auf welchen Überlegungen die Entscheidung beruht und wann sie tatsächlich getroffen wurde.
3. Zur Vermeidung prozessualer Risiken erscheint es ratsam, eine unternehmerische Entscheidung zu dokumentieren, da durch schriftliche Fixierung des Beschlusses der Geschäftsführung oder der Unternehmensleitung dem Gericht die Entscheidung zeitliche und inhaltlich nachgewiesen werden kann. Die Unternehmensentscheidung hat zeitlich mit einem gewissen Abstand vor dem Ausspruch der Kündigung und Anhörung des Betriebsrats zu erfolgen.
4. Die bloße Darlegung, dass der Geschäftsführer in der 24. Kalenderwoche und noch vor Ausspruch der Kündigung eine unternehmerische Entscheidung getroffen hat, reicht zur Begründung dringender betrieblicher Gründe nicht aus, wenn den weiteren Darlegungen der Arbeitgeberin keine Beweggründe für diese Entscheidung zu entnehmen sind.
5. Sind drei Monate vor dem Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs zwar informatorische Angebote von Dienstleistern angefordert worden, fanden konkrete Verhandlungen mit einem bestimmten Unternehmen aber erst lange nach der unternehmerischen Entscheidung und der Kündigung statt, liegt eine “greifbare„ Form der Umsetzung der Unternehmensentscheidung zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs noch nicht vor.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 3
Verfahrensgang
ArbG Gera (Entscheidung vom 15.11.2011; Aktenzeichen 2 Ca 815/11) |
Nachgehend
Tenor
1) Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 15.11.2011 - 2 Ca 815/11 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2) Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.
Der Kläger war seit April 2007 bei der Beklagten als Hausmeister mit einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von 1.059,00 Euro angestellt.
Die Beklagte informierte sich im März 2011 über anderweitige Gebäudereinigungen und holte sich entsprechende Angebote ein.
Der Kläger meint, seine Kündigung vom 29.06.2011 zum 31.12.2011 sei sozial ungerechtfertigt. Sein Beschäftigungsbedarf sei nicht weggefallen. Eine Entscheidung über eine Fremdvergabe der Tätigkeit läge gar nicht vor. Des Weiteren vertritt der Kläger die Ansicht, der Betriebsrat sei zur Kündigung nicht ordnungsgemäß angehört worden.
Wegen des erstinstanzlichen Parteivortrages, wegen der gestellten Anträge und wegen der richterlichen Feststellungen wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 77-79 d. A.) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 15.11.2011 der Klage aus den in den Entscheidungsgründen (Bl. 79-82 d. A.) ersichtlichen Gründen stattgegeben.
Gegen dieses den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 28.11.2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Telefax ihrer Prozessbevollmächtigten vom 27.12.2011 Berufung eingelegt und die Berufung mit dem am 28.02.2012 eingegangenen Telefax ihrer Prozessbevollmächtigten begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist durch Verfügung des Vorsitzenden bis zu diesem Tag verlängert worden war.
Die Beklagte vertritt in Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil nach wie vor die Auffassung, dass die Kündigung aus betrieblichen Gründen gerechtfertigt sei.
Sie meint, sie habe für die betrieblichen Gründe ausreichend Beweise angeboten, die aber vom Gericht nicht berücksichtigt worden seien. Das Gericht habe in diesem Zusammenhang gegen die Vorschrift des § 139 Abs. 1 ZPO verstoßen, indem es seiner Hinweispflicht bei Unvollständigkeit des Tatsachenvortrages oder der Beweisangebote nicht nachgekommen sei. Im Rahmen der Prozessleitung habe das Gericht auch nicht das rechtliche Gehör im erforderlichen Maße gewährt.
Die Beklagte ist der Ansicht, die im Urteil zugrunde liegende Entscheidung des BAG, sei auf den hiesigen Fall, aufgrund anders liegender Sachverhaltskonstellationen, nicht übertragbar.
Sie behauptet eine unternehmerische Entscheidung über die Fremdvergabe der Hausmeistertätigkeit in der 24. Kalenderwoche sei durch den Geschäftsführer getroffen worden.
Die Unternehmerentscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, weder offenbar unsachlich, unvernünftig od...