Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablösung nachwirkender Tarifverträge. Konkurrenzverhältnis. Tarifgefüge. Hotel- und Gaststättengewerbe
Leitsatz (redaktionell)
Verliert ein Tarifvertrag seine normative Wirkung und gilt nur noch nach § 4 Abs. 5 TVG fort, so kann er durch eine andere Abmachung ersetzt werden, die auch ein später abgeschlossener Tarifvertrag sein kann.
Normenkette
TVG § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 5; BGB § 611
Verfahrensgang
ArbG Erfurt (Urteil vom 30.08.2002; Aktenzeichen 5 Ca 697/02) |
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 30.08.2002 – 5 Ca 697/02 – wird abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 218,52 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2002 zu zahlen.
Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen die Klägerin 7/11 und die Beklagte 4/11. Die Kosten des zweiten Rechtszuges trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Vergütungsdifferenzen für den Zeitraum August 2001 bis April 2002 auf dem Hintergrund der Frage, welcher Entgelttarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet.
Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 25.04.1996 als Küchenhilfe mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden beschäftigt. Sie ist Mitglied der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten im DGB (fortan kurz: NGG).
Die Beklagte betreibt bundesweit u. a. Betriebsgastronomie. Sie ist Mitglied des Bundesverbandes Betriebsgastronomie e.V. (fortan: BVBG). Hinsichtlich dieses Vereines war die Eröffnung des Konkursverfahrens über dessen Vermögen beantragt. Außerdem war die Beklagte Mitglied im Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (fortan: DeHoGa). Sie war Mitglied der Fachabteilung Gemeinschaftsverpflegung im DeHoGa. § 3 der Satzung dieser Fachabteilung Gemeinschaftsverpflegung im DeHoGa bestimmt, dass die ordentlichen Mitglieder zugleich Mitglieder in den Landesverbänden der DeHoGa sind, in denen sie Betriebsstätten unterhalten.
Die Beklagte unterhält Betriebsstätten im Freistaat Thüringen.
NGG und BVBG schlossen am 01.07.1996 ein Manteltarifvertrag und ein Entgelttarifvertrag (fortan kurz: ETV BVBG 1996) ab. Hinsichtlich des Inhaltes sowohl des Manteltarifvertrages als auch des Entgelttarifvertrages vom 01.07.1996 wird auf die hiervon zu den Akten gereichten Kopien (Bl. 172 – 178 d. A. ETV – sowie Bl. 208 d. A. – MTV –) verwiesen.
Der ETV BVBG 1996 wurde zum 30.06.1997 gekündigt. BVBG und NGG schlossen nach diesem Zeitpunkt keinen weiteren Entgelttarifvertrag miteinander ab.
Unter dem 12.07.2001 schlossen NGG und der Thüringer Hotel- und Gaststättenverband e.V. einen Entgelttarifvertrag für die Beschäftigten im Hotel- und Gaststättengewerbe des Freistaates Thüringen (fortan kurz: ETV DeHoGa 2001), wegen dessen gesamten Inhaltes im Einzelnen auf die hiervon zu den Akten gereichte vollständige Kopie (Bl. 157 – 162 d. A.) verwiesen wird. Dieser Tarifvertrag trat ausweislich seines § 11 am 01.06.2001 in Kraft. Am 12.02.2002 schlossen dieselben Tarifvertragsparteien einen Entgelttarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe des Freistaates Thüringen (fortan kurz: ETV DeHoGa 2002) ab, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf die zu den Akten gereichte komplette Kopie hiervon (Bl. 163 – 171 d. A.) verwiesen wird. Dieser Tarifvertrag trat ausweislich seines § 11 am 01.02.2002 in Kraft.
Die Klägerin arbeitete im Monat August 2001 168 Stunden, im September 2001 143 Stunden, im Oktober 2001 177 Stunden, im November 2001 167 Stunden, im Dezember 2001 148 Stunden, im Januar 2002 164 Stunden, im Februar 2002 127 Stunden, im März 2002 151 Stunden sowie im April 2002 156 Stunden. Die Beklagte rechnete pro Arbeitsstunde einen Lohn in Höhe von 12, 89 DM bzw. ab 2002 den entsprechenden Betrag umgerechnet in Euro ab und zahlte diesen so errechneten Betrag an die Klägerin aus. Mit Schreiben vom 21.11.2001 machte die Klägerin die von der Klageschrift erfassten Differenzvergütungsansprüche unter Berufung auf den ETV DeHoGa 2001 geltend. Mit am 06.03.2002 beim Arbeitsgericht eingegangener Klage, am 18.03.2002 der Beklagten zugestellt, hat die Klägerin Differenzvergütungsansprüche für den Zeitraum August 2001 bis einschließlich Januar 2002 beansprucht. Mit Schreiben vom 29.05.2002, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf die hiervon zu den Akten gereichte Kopie (Bl. 72 und 73 d. A.) verwiesen wird, machte die Klägerin weitere Vergütungsdifferenzansprüche für die Monate Februar bis einschließlich April 2002 geltend und hat bezüglich dieser Ansprüche in Höhe von 212,66 EUR brutto mit am 04.07.2002 beim Gericht eingegangenen und der Beklagten am 09.07.2002 zugestellten Schriftsatz die Klage erweitert.
Mit Urteil vom 30.08.2002 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, das Tarifgefüge, bestehend aus Manteltarifvertrag und Entgelttarifvertrag abgeschlossen zwischen NGG und BVBG, verdränge als speziellere Regelung im Wege der Tarifkonkurr...