Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschlußfrist und Verjährungsfrist bei Schadensersatzansprüchen aus § 260 AGB-DDR
Leitsatz (amtlich)
Wird die gem. § 260 AGB-DDR zum Schadensersatz verpflichtende Handlung des Werktätigen/Arbeitnehmers als Straftat verfolgt, so unterliegt der Schadensersatzanspruch nur noch der 30-jährigen Verjährungsfrist, wenn das Strafurteil erst nach dem Außerkrafttreten der §§ 260–265 a AGB-DDR zum 31.12.1991 Rechtskraft erlangt hat.
Normenkette
AGB-DDR §§ 260, 265, 265a; EV-Anlage II, Kap. VIII, Sachgebiet A, Abschn. III, Nr. 1 f.; EGBGB Art. 169, 231 § 6, Art. 232 §§ 1, 10; BGB § 195
Verfahrensgang
ArbG Erfurt (Urteil vom 02.11.1994; Aktenzeichen 2 Ca 50/94) |
Nachgehend
Tenor
1) Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 02.11.1994, Az.: 2 Ca 50/94, abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 162.157,54 DM (i. W.: einhundertzweiundsechzigtausendeinhundertsiebenundfünfzig Deutsche Mark) nebst 4 % Zinsen seit dem 09.01.1990 zu bezahlen.
2) Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, mit Ausnahme der Mehrkosten, die durch die Anrufung des unzuständigen Gerichts entstanden sind. Diese Mehrkosten trägt die Klägerin.
3) Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Parteien sind Schadensersatzansprüche streitig.
Die Beklagte war bis Ende 1989 Angestellte der … der DDR. Sie täuschte ab November 1984 Schadensfälle vor und ließ die Schadensbeträge auf die Konten dritter Personen überweisen. Von diesen ließ sie sich einen vereinbarten Anteil an den überwiesenen Beträgen auszahlen.
Gegen die Beklagte wurde aufgrund einer Anzeige vom 09.01.1990 ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, das am 09.08.1990 zur Erhebung der Anklage und durch Urteil des … beim Kreisgericht Erfurt vom 30.04.1992 zur Verurteilung der Beklagten wegen fortgesetzter Untreue führte. Das Strafurteil ist seit 08.05.1992 rechtskräftig.
Die Klägerin hat mit Klage vom 20.08.1993, beim Kreisgericht Erfurt eingegangen am 24.08.1993 und der Beklagten zugestellt am 04.09.1993 (Bl. 56 d. A.), die Beklagte zunächst gesamtschuldnerisch mit den Mittätern auf Schadensersatz in Anspruch genommen.
Das Landgericht Erfurt hat durch Beschluß vom 20.04.1994 (Bl. 102, 103 d. A.) die Klage gegen die Beklagte abgetrennt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht verwiesen.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei Rechtsnachfolgerin der … der DDR, weil sie durch Einbringungsvertrag mit der Treuhandanstalt vom 26.06.1990 (Bl. 121 d. A.) und gem. § 13 ihrer Satzung (Bl. 122 d. A.) den Geschäftsbetrieb der … der DDR einschließlich der Aktiva und Passiva übernommen habe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 162.157,54 DM zu zahlen nebst 4 % Zinsen seit dem 09.01.1990.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Anspruch der Klägerin sei erloschen, da diese den Anspruch nicht innerhalb der Ausschlußfrist des § 265 AGB-DDR geltend gemacht habe. Vorsorglich hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des Urteils (Bl. 128–133 d. A.) Bezug genommen.
Die Klägerin wendet sich gegen das ihr am 06.12.1994 zugestellte Urteil mit der am 04.01.1995 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen und nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 04.03.1995 am 21.02.1995 begründeten Berufung.
Sie ist der Auffassung, der Anspruch sei nicht verspätet geltend gemacht. Die 3-monatige Frist des § 265 S. 2 AGB-DDR zur Geltendmachung des Anspruchs habe am 31.12.1991, dem Tag des Außerkrafttretens dieser Vorschrift, noch nicht zu laufen begonnen, da das Strafurteil erst am 08.05.1992 rechtskräftig geworden sei. Nach Rechtskraft des Strafurteils habe die Frist nicht mehr in Lauf gesetzt werden können, da die einschlägige Bestimmung nicht mehr gegolten habe. Im übrigen habe sie erst durch ein Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 29.10.1992 Kenntnis von der rechtskräftigen Verurteilung der Beklagten erlangt.
Auch verstoße die Heranziehung des § 265 AGB-DDR gegen Treu und Glauben. Bei Anwendung dieser Vorschrift würde die Beklagte als Hauptverantwortliche der Straftaten keine Schadensersatzpflicht treffen, während die nur minder schwer Verantwortlichen vollen Schadensersatz leisten müßten. Ein solches Ergebnis widerspräche jedem Gerechtigkeitsempfinden.
Ergänzend behauptet die Klägerin, in den Strafakten befänden sich insgesamt neun – undatierte – Anträge auf Verurteilung zum Schadensersatz. Zwar trügen diese Anträge keinen Eingangsstempel der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts, sie seien jedoch vor dem 22.10.1990 zu den Strafakten gelangt. Die Beklagte müsse diese Schadensersatzanträge auch erhalten haben. Selbst wenn dies nicht der Fall sei, könne das Versäumnis der Behörde nicht ihr – der Klägerin – zur Last gelegt werden.
Die Klägerin beantragt,
das...