Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Sachverständigenvergütung. Erinnerung gegen erstmalige richterliche Festsetzung. reformatio in peius. Einstufung. Honorargruppe M 2 oder M 3. Zustandsgutachten. übliche Auseinandersetzung mit einschlägigen Vorgutachten. Zeitaufwand

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Erinnerung des § 4 Abs 1 JVEG ist kein Rechtsbehelf; insofern gilt das Verschlechterungsverbot (sog "reformatio in peius") bei der erstmaligen richterlichen Festsetzung nicht (vgl LSG Erfurt vom 8.9.2009 - L 6 SF 49/08; vom 13.4.2005 - L 6 SF 2/05 und vom 16.9.2002 - L 6 B 51/01 SF = E-LSG B-242).

2. Die in sozialgerichtlichen Verfahren übliche Auseinandersetzung mit einschlägigen Vorgutachten begründet allein nicht den hohen Schwierigkeitsgrad der Honorargruppe M3 (vgl LSG Erfurt vom 1.6.2011 - L 6 SF 277/11 B; vom 8.5.2009 - L 6 SF 35/08 und vom 27.8.2008 - L 6 SF 36/08).

 

Orientierungssatz

Das Honorar der Sachverständigen errechnet sich nach den § 9 Abs 1 S 1, § 8 Abs 2 JVEG nach der erforderlichen Zeit. Zwar ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich benötigte Zeit richtig sind, werden jedoch die üblichen Erfahrungswerte um mehr als 15 vH überschritten oder bietet die Kostenrechnung keinen Anhalt für einen realistischen Ansatz, ist eine Plausibilitätsprüfung anhand der Kostenrechnung und der Angaben des Sachverständigen durchzuführen.

 

Tenor

Die Vergütung für das Gutachten der Erinnerungsführerin vom 8. September 2011 wird auf 808,25 Euro festgesetzt.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

 

Gründe

I.

In dem Berufungsverfahren I. R. ./. Deutsche Rentenversicherung Bund (Az.: L 6 R 684/10) ordnete der Berichterstatter des 6. Senats mit Beweisanordnung vom 21. April 2011 die Einholung eines Gutachtens nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bei der Erinnerungsführerin, einer Fachärztin für Orthopädie, an. Übersandt wurden ihr 388 Blatt Akten.

Die Erinnerungsführerin fertigte unter dem 8. September 2011 ihr Gutachten aufgrund einer ambulanten Untersuchung am 6. Juli 2011 auf insgesamt 24 Blatt (einschließlich Anschreiben). In ihrer Kostenrechnung vom 9. September 2011 machte sie insgesamt 1.766,85 Euro geltend (20 Stunden Zeitaufwand zu einem Stundendensatz von 85,00 Euro, Schreibauslagen 53,85 Euro, pauschale Kosten für Telekommunikation 5,00 Euro, Porto 8,00 Euro). Bezüglich der Einzelheiten wird auf Blatt 30 ff. des Kostenhefts verwiesen. Mit Verfügung vom 20. September 2011 kürzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) die Vergütung auf 838,25 Euro:

12,95 Stunden, aufgerundet 13 Stunden x 60,00 Euro

(Honorargruppe M2)

780,00 Euro

Schreibauslagen/Kopien

 50,25 Euro

Porto 

 8,00 Euro

Gesamtbetrag

838,25 Euro

Am 28. September 2011 hat sich die Erinnerungsführerin gegen die Festsetzung gewandt und vorgetragen, das JVEG unterscheide nicht nach den Vorgaben des Thüringer Kostensenats. Diese seien nicht Gegenstand ihrer Beauftragung gewesen. Zudem habe sie den in Rechnung gestellten Zeitaufwand tatsächlich benötigt. Wenn sie bei Annahme des Auftrags gewusst hätte, für das Diktat bei 6 Seiten nur 1 Stunde Zeit zu haben, hätte sie den Auftrag nicht angenommen. Sofern sie als Berufsschwerpunkt Gutachten verfassen würde seien die Zeitvorgaben zu schaffen. Sie verfasse aber Gutachten "mehr als selten" und habe den angegebenen Zeitaufwand tatsächlich benötigt. Sofern ihr Aufwand akzeptiert werde, sei sie mit der Einordnung des Stundensatzes in die Honorargruppe M2 einverstanden.

Die Erinnerungsführerin beantragt sinngemäß,

die Vergütung für das Gutachten vom 8. September 2011 auf 1.258,25 Euro festzusetzen.

Der Erinnerungsgegner beantragt sinngemäß,

die Vergütung für das Gutachten vom 8. September 2011 auf 838,25 Euro festzusetzen.

Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen der UKB.

Die UKB hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 11. Oktober 2011) und sie dem erkennenden Senat vorgelegt. Der Unterzeichner hat die Beteiligten mit Verfügung vom 17. November 2011 auf seine Bedenken gegen die Höhe des von der UKB zuerkannten Zeitansatzes für die Begründung hingewiesen.

II.

Nach § 4 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz ≪JVEG≫) erfolgt die Festsetzung der Vergütung durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen erachtet. Zuständig ist das Gericht, von dem der Berechtigte herangezogen worden ist (§ 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 JVEG). Die Erinnerungsführerin ist Berechtigte im Sinne dieser Vorschrift.

Bei der Erinnerung sind alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie angegriffen werden (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschlüsse v...

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