Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhe der Vergütung für ein medizinisches Sachverständigengutachten. Zeitaufwand. Aktenstudium. Untersuchung. Honorargruppe. Zustandsgutachten. Auseinandersetzung mit Vorgutachten. Auswertung von Literatur

 

Orientierungssatz

1. Bei dem für die Vergütung eines Sachverständigengutachtens zu errechnenden Honorars kommt es allein darauf an, welchen Zeitaufwand ein Sachverständiger mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung und durchschnittlicher Arbeitsintensität benötigt, vgl. BGH Beschluss, vom 16 Dezember 2003 - X ZR 206/98.

2. Überschreitet der geltend gemachte Zeitansatz die üblichen Erfahrungswerte nicht um 15 %, so ist er dem Sachverständigen zu vergüten.

3. Für das Aktenstudium und vorbereitende Maßnahmen einschließlich der Fertigung von Notizen ist ein Zeitaufwand von einer Stunde für 80 Blatt mit 1/4 medizinischem Inhalt zu berücksichtigen.

4. Für ein medizinisches Gutachten durchschnittlichen Schwierigkeitsgrades ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge ist ein Stundensatz von 60.- €. nach der Honorargruppe M 2 anzusetzen. Die in sozialgerichtlichen Verfahren übliche Auseinandersetzung mit Vorgutachten begründet allein nicht den hohen Schwierigkeitsgrad der Honorargruppe M 3.

5. Nur in Ausnahmefällen kann für ein geltend gemachtes Literaturstudium ein zusätzlicher Zeitansatz zuerkannt werden. Das ist u. a. dann der Fall, wenn zur Erfüllung des Auftrags das Lesen von neuer und bisher nicht diskutierter Literatur erforderlich ist bzw. bei ganz speziellen Beweisfragen, wenn im Gutachten eine kritische Auseinandersetzung erfolgt ist.

 

Normenkette

JVEG § 4 Abs. 1 S. 1, § 8 Abs. 1-2, § 9 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

Die Vergütung für das Gutachten des Erinnerungsführers vom 16. Dezember 2011 wird auf 970,97 Euro festgesetzt.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

 

Gründe

I.

In dem Berufungsverfahren H.-J. B. ./. Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland (Az.: L 6 R 1035/09) beauftragte die Berichterstatterin des 6. Senats des Thüringer Landessozialgerichts nach Einholung eines Kostenvorschusses von 1.300,00 Euro mit Beweisanordnung vom 4. März 2011 Dr. E. F. mit der Erstellung eines Gutachtens nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) aufgrund ambulanter Untersuchung. Nachdem dieser gebeten hatte, ihn aus persönlichen Gründen von der Aufgabe zu entbinden, beauftragte sie nach Rücksprache mit dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Beweisanordnung vom 30. August 2011 den Erinnerungsführer, einen Facharzt für Orthopädie. Ihm wurden 411 Blatt Gerichtsakte und 91 Blatt Verwaltungsakten (64 Blatt Verwaltungsakte, 27 Blatt medizinische Beiakte) übersandt.

Der Erinnerungsführer fertigte sein Gutachten aufgrund einer ambulanten Untersuchung am 7. Oktober 2011 unter dem 16. Dezember 2011 auf insgesamt 16 Blatt. In seiner Kostenrechnung vom gleichen Tag machte er insgesamt 1.320,97 Euro geltend:

Aktenstudium

8,0 Stunden

Erhebung der Vorgeschichte

1,0 Stunde

Untersuchung

1,0 Stunde

Beurteilung

1,5 Stunden

Diktat und Korrektur

2,5 Stunden.

Die 14 Stunden seien mit einem Stundendensatz von 85,00 Euro zu vergüten. Zusätzlich zu erstatten seien besondere Leistungen (95,57 Euro), Schreibauslagen (28,50 Euro) und Porto (6,90 Euro). Bezüglich der Einzelheiten wird auf Blatt 28 f. des Kostenhefts verwiesen.

Mit Verfügung vom 4. Januar 2012 kürzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) die Vergütung auf 850,97 Euro:

Aktenstudium

6,1 Stunden

Erhebung der Vorgeschichte/Untersuchung

2,0 Stunden

Beurteilung

1,3 Stunden

Diktat/Korrektur

2,5 Stunden

Zusätzlich zu den 12 Stunden (aufgerundet) zu einem Stundensatz von 60,00 Euro nach M2 (= 720,00 Euro) seien die Aufwendungen für besondere Leistungen, Schreibauslagen und Porto zu erstatten.

Am 17. Januar 2012 hat sich der Erinnerungsführer gegen die Festsetzung gewandt. Er sei mit der massiven Honorarkürzung nicht einverstanden. Tatsächlich habe es sich um ein Gutachten der Honorargruppe M3 gehandelt und zwar schon deshalb, weil zuvor schon andere orthopädische Gutachten stattgefunden hätten. Zudem habe es sich um eine wissenschaftliche Darstellung inklusive Auswertung der Literatur gehandelt. Das Gutachten solle zurückgesandt werden. Bei einem Honorarsatz M2 müssten die wissenschaftlichen Aspekte gestrichen werden um ein angemessenes Verhältnis von Aufwand und Nutzen wieder herzustellen. Das Gutachten dürfe nur verwendet werden, wenn der volle geforderte Stundensatz gezahlt werde.

Der Erinnerungsführer beantragt sinngemäß,

die Vergütung für das Gutachten vom 16. Dezember 2011 auf 1.320,97 Euro festzusetzen.

Der Erinnerungsgegner hat keinen Antrag gestellt.

Die UKB hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 17. Januar 2011) und sie dem erkennenden Senat vorgelegt.

II.

Nach § 4 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, ...

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