Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Sachverständigenvergütung. Gutachten. Aktenstudium. erforderliche Zeit. Unterlagen mit allgemeinem und medizinischem Inhalt. Zustandsgutachten. Honorargruppe M 2
Leitsatz (amtlich)
1. Liegt der medizinische Anteil der dem Sachverständigen übersandten Unterlagen bei ca 50 vH, sind beim Ansatz des Aktenstudiums die Akten mit allgemeinem und medizinischem Inhalt getrennt zu erfassen und unterschiedlich zu bewerten (vgl LSG Erfurt vom 4.8.2003 - L 6 SF 275/03). Im Regelfall benötigt dann ein medizinischer Sachverständiger für die Durchsicht von 100 Aktenblättern mit allgemeinem Inhalt bzw von 50 Blatt mit medizinischen Unterlagen jeweils ca eine Stunde.
2. Zustandsgutachten werden im Regelfall der Honorargruppe M 2 zugeordnet (vgl LSG Erfurt vom 16.3.2012 - L 6 SF 151/12 E und vom 1.6.2011 - L 6 SF 277/11 B; LSG München vom 23.9.2009 - L 15 SF 188/09; LSG Darmstadt vom 11.4.2005 - L 2/9 SF 82/04 = JurBüro 2006, 654).
Normenkette
JVEG §§ 4, 8 Abs. 2, § 9 Abs. 1 Sätze 1, 8, Abs. 2
Tenor
Die Vergütung für das Gutachten des Erinnerungsführers vom 27. Juli 2012 wird auf 2.120,98 Euro festgesetzt.
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe
I.
Im Berufungsverfahren R. L. ./. Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland (L 12 R 448/10) ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.
Mit Beweisanordnung vom 15. Dezember 2011 beauftragte der Berichterstatter des 12. Senats des Thüringer Landessozialgerichts den Erinnerungsführer, einen HNO-Facharzt, mit der Erstellung eines Gutachtens nach § 106 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Zusätzlich wurde er beauftragt, von Dr. A. ein Zusatzgutachten einzuholen. Übersandt wurden ihm die Gerichts- (235 Blatt) und die Verwaltungsakte (186 Blatt). Anschließend übersandten ihm der 12. Senat weitere medizinische Unterlagen sowie der Zusatzsachverständige sein orthopädisches Gutachten vom 12. Juli 2012 (39 Blatt). Unter dem 27. Juli 2012 fertigte er sein Gutachten aufgrund einer ambulanten Untersuchung auf insgesamt 40 Blatt. In seiner Kostenrechnung vom 19. Dezember 2012 machte er insgesamt 2.865,98 Euro geltend (28,62 Stunden, aufgerundet 29 Stunden Zeitaufwand x 85,00 Euro, besondere Leistungen 288,88 Euro, Telekommunikationspauschale 20,00 Euro, Schreibauslagen 83,00 Euro, Porto 9,10 Euro). Bezüglich der Einzelheiten wird auf Blatt 5 des Kostenhefts verwiesen. Mit Verfügung vom 18. Januar 2013 kürzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Vergütung auf 1.900,98 Euro und berücksichtigte dabei einen notwendigen Zeitaufwand von 25 Stunden (Aktenstudium 5 Stunden, Erhebung der Vorgeschichte 1,25 Stunden, körperliche Untersuchung 2 Stunden, Beurteilung 8,67 Stunden, Diktat und Korrektur 8 Stunden) und einen Stundensatz von 60,00 Euro (M2).
Am 11. März 2013 hat sich der Erinnerungsführer gegen die Festsetzung gewandt und vorgetragen, angesichts des hohen Schwierigkeitsgrades mit Berücksichtigung vielfacher Vorbegutachtungen und einer Zusatzbegutachtung beantrage er weiterhin einen Stundensatz von 85,00 Euro. Die Kürzung seiner Stundenzahl sei nicht nachvollziehbar begründet.
Der Erinnerungsführer beantragt sinngemäß,
die Vergütung für das Gutachten vom 27. Juli 2012 auf 2.865,98 Euro festzusetzen.
Der Erinnerungsgegner hat innerhalb der gesetzten Frist keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.
Die Urkundsbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen (Verfügung vom 12. März 2013) und sie dem erkennenden Senat vorgelegt.
II.
Nach § 4 Abs. 1 S. 1 JVEG erfolgt die Festsetzung der Vergütung durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen erachtet. Zuständig ist das Gericht, von dem der Berechtigte herangezogen worden ist (§ 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 JVEG). Der Erinnerungsführer ist Berechtigter im Sinne dieser Vorschrift.
Bei der Erinnerungsentscheidung sind alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie angegriffen werden (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschlüsse vom 1. Dezember 2011 - L 6 SF 1617/11 E, 8. September 2009 - L 6 SF 49/08, 4. April 2005 - L 6 SF 83/05 in MedSach 2005, 137 ff., Bayerischer Verwaltungsgerichtshof ≪VGH≫, Beschluss vom 10. Oktober 2005 - 1 B 97.1352, nach juris). Der Senat ist nicht an die Höhe der Einzelansätze, Stundenansätze oder die Gesamthöhe der Vergütung oder die Anträge der Beteiligten gebunden; er kann die Vergütung nur nicht höher festsetzen als vom Erinnerungsführer beantragt. Nachdem die Erinnerung kein Rechtsbehelf ist, gilt das Verschlechterungsverbot (sog. "reformatio in peius") bei dieser erstmaligen richterlichen Festsetzung nicht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 8. September 2009 - L 6 SF 49/08, 13. April 2005 - L 6 SF 2/05, 16. September 2002 - L 6 B 51/01 SF; Meyer/Höver/Bach, Die Vergütung und Entschädigung von Sachverständigen, Zeugen, Dritten und von e...