Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Prozesskostenhilfe. beigeordneter Rechtsanwalt. Erledigungsgebühr. Verzicht auf Erstattung durch Kostenvereinbarung ohne hinreichenden sachlichen Grund. Geltendmachung des Erstattungsanspruchs gegenüber der Staatskasse. unzulässige Rechtsausübung
Leitsatz (amtlich)
Es widerspricht dem allgemeinen Rechtsgedanken des § 242 BGB, wenn ein Rechtsanwalt von der Staatskasse aufgrund der Bewilligung von PKH unter seiner Beiordnung eine Vergütung fordert, obwohl er oder sein Mandant entgegen der gesetzlichen Verpflichtung aus § 59 RVG, die Staatskasse bei der Beitreibung von auf sie übergegangenen Ansprüchen gegen einen potenziell erstattungspflichtigen Dritten zu unterstützen (vgl LSG Essen vom 11.4.2008 - L 1 B 33/07 AL), nicht nachkommt und durch eine Kostenvereinbarung ohne hinreichenden sachlichen Grund einen solchen Erstattungsanspruch von vornherein unmöglich macht.
Tenor
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 16. September 2015 (S 21 SF 969/12 E) aufgehoben und die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung des Beschwerdegegners für das Verfahren S 33 AS 3391/11 auf 457,13 Euro festgesetzt.
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung für das beim Sozialgericht Nordhausen anhängig gewesene Verfahren S 33 AS 3391/11, in dem der Beschwerdegegner die Klägerin vertrat.
Gegenstand der am 12. April 2011 erhobenen Klage waren eine Verletzung des Rechts auf Gewährung von Akteneinsicht durch die Beklagte, die Aufhebung des Überprüfungsbescheides vom 21. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2011, die Abänderung des Bescheides vom 1. November 2010 (vorläufige Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB II≫ für die Zeit vom 1. Dezember 2010 bis 31. Mai 2011 in Höhe von 337,75 Euro monatlich), abgeändert durch Bescheid vom 10. März 2011 (vorläufige Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Dezember 2010 bis 31. Mai 2011 in Höhe von 338,41 Euro) und die Gewährung von Leistungen in gesetzlicher Höhe. Des Weiteren begehrte die Klägerin eine Abänderung der Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid vom 14. März 2011. Zur Begründung der Klage führte der Beschwerdegegner aus, wegen der rechtswidrigen Ablehnung der beantragten Akteneinsicht habe nicht geprüft werden können, ob die angegriffene Entscheidung rechtmäßig erfolgt sei oder nicht. Die von der Beklagten berücksichtigten Kosten der Unterkunft (KdU) entsprächen nicht den tatsächlichen Verhältnissen. Die nachgewiesenen KdU seien der Höhe nach angemessen und auch vollständig als Bedarf anzuerkennen. Nach § 22 Abs. 1 SGB II würden laufende und einmalige Leistungen für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe erbracht, soweit sie angemessen seien. Darüber hinaus habe die Klägerin ab dem Monat Januar 2011 einen Anspruch auf höhere Regelbedarfe, was sich ebenso auf die Anrechnung des Einkommens des Ehemannes auswirke. Da dem Widerspruch durch den Änderungsbescheid vom 10. März 2011 zumindest teilweise abgeholfen wurde und auch in den übrigen Zeiträumen hätte abgeholfen werden müssen, sei die Beklagte auch verpflichtet, die im Widerspruchsverfahren entstanden notwendigen Aufwendungen zu erstatten.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 7. Dezember 2011, in dem von 11:50 bis 14:35 Uhr das Verfahren S 33 AS 3391/112 und vier weitere anhängige Rechtsstreitigkeiten der Klägerin und des H. R. behandelt wurden, erteilte die Vorsitzende u.a. Hinweise zum Abzug der Versicherungspauschale und der hierzu ergangenen Rechtsprechung und schlug einen Vergleich vor, dass die Versicherungspauschale zur Hälfte angerechnet wird. Die Klägerin und die Beklagte schlossen daraufhin einen Vergleich, dass die Beklagte einen Betrag in Höhe von 55,50 Euro für den streitigen Zeitraum nachzahlt. Die Beklagte trage 50 v.H. der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin dem Grunde nach und die Klägerin verpflichtete sich, auf die Geltendmachung der Vergleichsgebühr zu verzichten. Die Beteiligten erklärten den Rechtsstreit für erledigt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung bewilligte das SG der Klägerin Prozesskostenhilfe (PKH) und ordnete den Beschwerdegegner bei.
Am 26. Januar 2012 beantragte der Beschwerdegegner die Festsetzung folgender Gebühren aus der Staatskasse:
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Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG |
221,00 Euro |
Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG |
200,00 Euro |
Einigungsgebühr Nr. 1006, 1005 VV-RVG |
190,00 Euro |
Fahrkosten und Abwesenheitsgeld Vorb. Nr. 7 VV-RVG |
5,14 Euro |
Post- und Telekommunikationsentgelt Nr. 7002 VV-RVG |
20,00 Euro |
Zwischensumme |
636,14 Euro |
USt Nr. 7008 VV RVG |
120,87 Euro |
Summe |
757,01 Euro |
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss (richtig: Vergütungsfestsetzungsbeschluss) vom 7. September 2012 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) den auszuzahlenden Betrag auf 389,...