Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Sachverständigenvergütung. Gutachten. Aktenstudium. erforderliche Zeit. Unterlagen mit allgemeinem und medizinischem Inhalt. Zustandsgutachten. Honorargruppe M 2

 

Orientierungssatz

1. Der Senat unterstellt in ständiger Rechtsprechung, dass ein Sachverständiger für das Aktenstudium und vorbereitende Maßnahmen einschließlich der Fertigung von Notizen und Exzerpten ohne Doppelheftungen einen Zeitaufwand von etwa einer Stunde für etwa 80 Blatt mit ca 1/4 medizinischem Inhalt benötigt (vgl ua LSG Erfurt vom 11.2.2003 - L 6 B 6/03 SF). Ist der medizinische Anteil höher (hier: ca 1/3), sind die Akten mit allgemeinem und mit medizinischem Inhalt getrennt zu erfassen und unterschiedlich zu bewerten (vgl LSG Erfurt vom 27.8.2008 - L 6 SF 36/08).

2. Zustandsgutachten wie Gutachten zur Feststellung der Leistungsfähigkeit werden im Regelfall in die Honorargruppe M 2 eingeordnet, denn es handelt sich um typische Gutachten mit durchschnittlicher Schwierigkeit. Eine Honorierung in M 3 kommt nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn umfassende und vielschichtige Überlegungen erforderlich waren (vgl LSG Erfurt vom 1.6.2011 - L 6 SF 277/11 B und LSG Stuttgart vom 22.9.2004 - L 12 RJ 3686/04 KO-A = MedR 2006, 118); die Schwierigkeiten können mit diagnostischen oder ätiologischen Fragen zusammenhängen. Auch andere Gründe sind denkbar, zB eine Vielzahl unklarer oder widerspruchsvoller Befunde oder anamnestischer Angaben.

 

Tenor

Die Vergütung für das Gutachten des Erinnerungsführers vom 31. August 2013 wird auf 1.807,07 Euro festgesetzt.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

 

Gründe

I.

In dem Berufungsverfahren M. P../. Deutsche Rentenversicherung …. (L 3 R 1509/11) beauftragte die Berichterstatterin des 3. Senats des Thüringer Landessozialgerichts mit Beweisanordnung vom 25. Februar 2013 den Erinnerungsführer, Chirurg, Unfallchirurg und Orthopäde, mit der Erstellung eines Gutachtens nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Übersandt wurden ihm die Gerichts- (589 Blatt) und Verwaltungsakten (182 Blatt), eine Akte des Landratsamts Sömmerda und insgesamt 5 CDs mit diversen CT-Aufnahmen. Unter dem 31. August 2013 fertigte der Erinnerungsführer sein Gutachten aufgrund ambulanter Untersuchungen auf insgesamt 43 Blatt sowie 3 Blatt Anlagen (Messblatt nach der Neutral-0-Methode). In seiner Kostenrechnung vom gleichen Tag machte er eine Vergütung von insgesamt 2.205,72 Euro geltend (Aktendurchsicht 7,5 Stunden, Auswertung auswärtiger Röntgenbilder 1,5 Stunden, körperliche Untersuchung 1,5 Stunden, Abfassung des Gutachtens 6,0 Stunden, Diktat und Korrektur 1,25 Stunden = 17,75 Stunden x 100 Euro, Schreibauslagen 74,05 Euro, Porto 4,50 Euro, MWSt. 352,17 Euro). Bezüglich der Einzelheiten wird auf Blatt 70 des Kostenhefts verwiesen. Mit Verfügung vom 18. Oktober 2013 kürzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) die Vergütung auf 1.785,12 Euro und legte einen notwendigen Zeitaufwand von 23,6 Stunden (Aktenstudium 12,3 Stunden, Auswertung Röntgenbilder 1,5 Stunden, körperliche Untersuchung 2,0 Stunden, Diktat und Korrektur 7,8 Stunden), Schreibgebühren 79,60 Euro, MWSt. 285,02 Euro zugrunde.

Unter dem 22. Oktober 2013 hat sich der Erinnerungsführer gegen die Festsetzung gewandt und die Honorierung in der Honorargruppe M3 eingefordert. In seiner beigefügten Rechnung hat er den Anspruch auf 1.888,89 Euro korrigiert (Stundensatz 85,00 Euro).

Der Erinnerungsführerin beantragt sinngemäß,

die Vergütung für das Gutachten vom 31. August 2013 auf 1.888,89 Euro festzusetzen.

Der Erinnerungsgegner beantragt,

die Vergütung auf 1.785,12 Euro festzusetzen.

Hinsichtlich der Honorargruppe M2 schließt er sich den Ausführungen der UdG an.

Diese hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 6. November 2013) und sie dem erkennenden Senat vorgelegt.

II.

Die Heranziehung des Erinnerungsführers erfolgte mit Beweisanordnung vom 25. Februar 2013. Damit wird die Vergütung nach § 24 des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz ≪JVEG≫) in der Fassung bis 31. Juli 2013 (= a.F.) berechnet. Nach § 4 Abs. 1 S. 1 JVEG erfolgt die Festsetzung der Vergütung durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen erachtet. Zuständig ist das Gericht, von dem der Berechtigte herangezogen worden ist (§ 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 JVEG). Der Erinnerungsführer ist Berechtigter im Sinne dieser Vorschrift.

Bei der Erinnerungsentscheidung sind alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie angegriffen werden (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschluss vom 1. Dezember 2011 - L 6 SF 1617/11 E; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof ≪VGH≫, Bes...

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