Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Gutachten gemäß § 109 SGG. zusätzliche Ausführungen des Sachverständigen über Streitgegenstand und Inhalt der Beweisanordnung hinaus. keine (teilweise) Kostenübernahme auf die Staatskasse

 

Leitsatz (amtlich)

Wenn ein Sachverständiger in seinem Gutachten über den Streitgegenstand des Verfahrens und den Inhalt der Beweisanordnung hinaus Ausführungen macht, kann nicht angenommen werden, dass das Gutachten die Sachaufklärung wesentlich gefördert hat. Eine Übernahme der Kosten eines solchen Gutachtens auf die Staatskasse nach § 109 Abs 1 S 2 SGG scheidet daher - auch teilweise - aus.

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 30. März 2015 wird zurückgewiesen.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

 

Gründe

Die nach §§ 172,173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Vorinstanz hat zu Recht die Übernahme der Kosten des nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens abgelehnt.

Die entsprechenden Kosten können nur dann auf die Staatskasse übernommen werden, wenn das Gutachten die Sachaufklärung objektiv wesentlich gefördert hat (ThürLSG Beschluss vom 11. Dezember 2014 - Az.: L 6 R 849/13 B; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30. Juni 2006 - Az.: L 5 B 3/05 SB SF, LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 4. Januar 1999 - Az.: L 7 U 110/98, beide nach Juris). Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Sachverständige wesentliche, bisher noch nicht bekannte rechtserhebliche Tatsachen feststellt und sich zu deren Bedeutung für den zu entscheidenden Rechtsstreit äußert (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 4. Januar 1999, a.a.O.).

Das Gutachten der Prof. Dr. Sch. vom 25. April 2014 hat im Hauptsacheverfahren zu keinen wesentlichen neuen Erkenntnissen geführt. Im Ergebnis stimmte die Sachverständige mit den Feststellungen des im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachtens überein und bezifferte die Minderung der Erwerbsfähigkeit mit weniger als 20 v.H. Dass das Gutachten von Prof. Dr. Sch. für den Kläger überzeugender war und möglicherweise zur unstreitigen Erledigung des Rechtsstreites mit beitrug, rechtfertigt eine Kostenübernahme nicht. Unzutreffend sind die Ausführungen in der Beschwerdebegründung, dass erst durch das Gutachten ein beidseitiger Tinnitus als Folge der Berufskrankheit anerkannt wurde. Dies hat die Beklagte zwar in ihrem Schriftsatz vom 11. August 2014 nochmals ausdrücklich anerkannt. Jedoch enthielt der Widerspruchsbescheid vom 21. März 2013 der Sache nach bereits entsprechende Ausführungen. Dies hat auch der Kläger so gesehen, denn die Klage war ausschließlich darauf gerichtet, aufgrund der anerkannten BK eine Rente zu erhalten.

Dass Prof. Dr. Sch. in ihrem Gutachten auf S. 21 mit einem Satz die Kostenübernahme für die Hörgeräte durch die Beklagte für angezeigt hielt, rechtfertigt eine Übernahme der Kosten des Gutachtens ebenfalls nicht. Streitgegenstand des Verfahrens war nur die Frage, ob der Kläger die Zahlung einer Verletztenrente begehren kann. Ausschließlich dies war Inhalt der Beweisanordnung vom 3. März 2014. Geht ein Sachverständiger in seinen Ausführungen über den Streitgegenstand des Verfahrens und den Inhalt der Beweisanordnung hinaus, kann nicht angenommen werden, dass das Gutachten die Sachaufklärung wesentlich gefördert hat. Diese zusätzlichen Ausführungen sind für die Entscheidung des konkreten Rechtsstreits ohne Bedeutung.

Da die Hörgeräteversorgung nicht Streitgegenstand des Verfahrens ist, scheidet auch eine teilweise Kostenübernahme aus. Ob eine nur teilweise Kostenübernahme grundsätzlich möglich ist (vgl. dazu Keller, in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 109, Rn. 16 a, der eine teilweise Kostenübernahme bei einem einheitlichen Streitgegenstand regelmäßig nicht als sachgerecht ansieht) braucht der Senat daher nicht zu entscheiden. Denkbar ist eine teilweise Kostenübernahme ohnehin nur bei einem teilbaren Streitgegenstand (z.B. Höhe des Grads der Behinderung einerseits und Merkzeichen andererseits), wenn das Gutachten nach § 109 SGG nur für einen Teil des Streitgegenstands neue Erkenntnisse gebracht bzw. nur diesbezüglich zur Erledigung geführt hat, nicht aber für den anderen Teil des Streitgegenstands. Dies ist hier aber gerade nicht der Fall. Dass die Beteiligten im Rahmen des abgeschlossenen Vergleichs - zulässigerweise - über den Streitgegenstand des Verfahrens hinaus eine Regelung hinsichtlich der Hörgeräteversorgung getroffen haben, hat keine Erweiterung des Streitgegenstandes zur Folge. Des Weiteren hat die Sachverständige nur in einem Satz am Ende ihres Gutachtens die Notwendigkeit einer Hörgeräteversorgung bejaht. Konkret abgrenzbare Kosten sind daher nicht zu ermitteln.

Ferner scheidet eine Sachdienlichkeit für das Verfahren auch deshalb aus, da die Beklagte in dem Vergleich vom 11. März 2015 sich  nur bereit erklärt hat, nach Vorlage einer Verordnung und Rechnung für das selbstbeschaffte Hörgerät einen Antrag auf Übern...

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