Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Entschädigung eines Beteiligten für Verdienstausfall. Einbeziehung von Zeiten vor und/oder nach dem Termin
Leitsatz (amtlich)
Beim Verdienstausfall ist auch diejenige Zeit einzubeziehen, die entsteht, weil der Herangezogene vor und/oder nach dem Termin seiner beruflichen Tätigkeit nicht nachgehen kann (Anschluss an OLG Hamm vom 29.12.2016 - I-25 W 365/16; entgegen LSG München vom 4.12.2013 - L 15 SF 226/11 und vom 13.1.2015 - L 15 SF 170/14).
Tenor
Die Entschädigung des Erinnerungsgegners für die Teilnahme am Erörterungstermin am 27. November 2017 wird auf 198,44 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Erinnerungsgegner war Kläger im Verfahren L 1 U 506/17. Mit Ladung vom 19. September 2017 wurde er durch den Berichterstatter des Verfahrens unter Anordnung des persönlichen Erscheinens zu einem Erörterungstermin am 27. November 2017, 11:30 Uhr geladen. Der Erörterungstermin dauerte ausweislich der Niederschrift bis 12:01 Uhr.
Mit beim Landessozialgericht am 15. Dezember 2017 eingegangenem Entschädigungsantrag beantragte der Erinnerungsgegner eine Entschädigung für das Erscheinen bei dem Erörterungstermin. Er beantragte Fahrtkosten aus einer Gesamtstrecke von 230 Kilometer in Höhe von 57,50 Euro, einen Verdienstausfall gemäß Bescheinigung seines Arbeitgebers für 7,6 Stunden nach einem Stundenlohn von 18,15 Euro in Höhe von insgesamt 137,94 Euro. Des Weiteren wurden Parkkosten in Höhe von 3,00 Euro geltend gemacht. Ausweislich der beigefügten Parkquittung erfolgte die Einfahrt auf dem Parkplatz des Justizzentrums Erfurt um 09:30 Uhr und die Ausfahrt um 12:05 Uhr.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle bewilligte den Entschädigungsantrag in voller Höhe.
Hiergegen hat die Erinnerungsführerin am 26. März 2018 Erinnerung eingelegt und beantragt, die Entschädigung des Erinnerungsgegners für die Teilnahme am Erörterungstermin am 27. November 2017 auf 150,25 Euro festzusetzen. Beanstandet hat sie die Entschädigung des Erinnerungsgegners hinsichtlich der Höhe des Verdienstausfalles und der Parkauslagen. Verdienstausfall nach § 22 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) werde nur für die gesamte Dauer der Heranziehung, einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten gewährt, § 19 Abs. 2 JVEG. Es komme daher nicht darauf an, ob unter Umständen ein ganzer Arbeitstag versäumt worden sei. Die einfache Entfernung von Meuselwitz nach Erfurt betrage ca. 115 Kilometer. Daher werde eine Fahrzeit von durchschnittlich 90 Minuten benötigt. Unter Berücksichtigung eines Zeitpuffers von 45 Minuten für die Hinfahrt und 14 Minuten für die Rückfahrt sei ein Reisebeginn um 08:45 Uhr und eine Beendigung der Reise um 13:45 Uhr angemessen und ausreichend. Die objektiv erforderliche Dauer der Heranziehung sei daher mit fünf Stunden festzustellen. Verdienstausfall sei in Höhe von 18,15 Euro pro Stunde entstanden. Die geltend gemachte Parkzeit in Höhe von zwei Stunden 35 Minuten sei nicht erforderlich gewesen. Ausreichend sei eine Parkzeit von einer Stunde und 35 Minuten gewesen. Der Erinnerungsgegner sei daher in Höhe von 48,19 Euro überzahlt.
Die Erinnerungsführerin beantragt,
die Entschädigung für die Teilnahme des Erinnerungsgegners am Erörterungstermin am 27. November 2017 auf 150,25 Euro festzusetzen.
Der Erinnerungsgegner beantragt,
die Entschädigung für die Teilnahme am Erörterungstermin am 27. November 2017 auf 198,44 Euro festzusetzen.
Für die Region Erfurt/Weimar hätten am 27. November 2017 verkehrswidrige Wetterverhältnisse geherrscht. Er sei daher gehalten gewesen, besondere Vorsicht im Straßenverkehr walten zu lassen. Vor oder nach der Verhandlung sei es nicht möglich gewesen, der Tätigkeit im Betrieb nachzugehen.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
Mit Beschluss vom 21. Juni 2018 hat der Berichterstatter das Verfahren dem Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung übertragen (§ 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG).
II.
Auf die Erinnerung war die Entschädigung auf 198,44 Euro festzusetzen.
Nach § 4 Abs. 1 JVEG erfolgt die Festsetzung der Vergütung, der Entschädigung oder des Vorschusses durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Feststellung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält (Satz 1).
Nach § 191 Halbs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) werden einem Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet worden ist, auf Antrag bare Auslagen und Zeitverlust wie einem Zeugen vergütet. Zeugen erhalten nach § 19 Abs. 1 S. 1 JVEG als Entschädigung Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG), Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG), Entschädigung für sonstige Aufwendungen (§ 8 JVEG), Entschädigung für Zeitversäumnis (§ 20 JVEG), Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung (§ 21 JVEG) sowie Entschädigung für Verdienstausfall (§ 22 JVEG). Soweit die Entschädigung nach Stunden zu bemessen ist, wird sie nach § 19 Abs. 2 JVEG für die gesamte Zeit der Heranziehung einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten, j...