Entscheidungsstichwort (Thema)

Notwendiger Zeitaufwand für ein psychiatrisches Gutachten

 

Orientierungssatz

1. Ein Sachverständiger erhält nach §§ 9 Abs. 1 Satz 1, 8 Abs. 2 JVEG nur die erforderliche Zeit, nämlich den Zeitaufwand entschädigt, den ein Sachverständiger mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung mit durchschnittlicher Arbeitsintensität benötigt. Grundsätzlich kann zwar von den Angaben des Sachverständigen ausgegangen werden; bei Überschreitung der üblichen Erfahrungswerte ist jedoch eine Plausibilitätsprüfung und gegebenenfalls Korrektur erforderlich.

2. Bei der Plausibilitätsprüfung des Zeitaufwands eines Sachverständigen sind die einzelnen Arbeitsschritte bei der Erstattung eines Gutachtens getrennt zu beurteilen, nämlich Aktenstudium und vorbereitende Arbeiten, Erhebung der Vorgeschichte, notwendige Untersuchungen, Abfassung der Beurteilung sowie Durchsicht des Gutachtens.

3. Für das Aktenstudium des Sachverständigen einschließlich der vorbereitenden Maßnahmen und der Fertigung von Notizen und Exzerpten ist üblicherweise ein Zeitaufwand von etwa einer Stunde für 80 Blatt bei etwa einem Viertel medizinischem Inhalt notwendig. Ein besonderer, zusätzlicher Zeitansatz für die Organisation kommt nicht in Betracht.

4. Bei einem psychiatrischen Gutachten ist der Zeitaufwand eines ärztlichen Mitarbeiters für das explorierende Gespräch mit dem Probanden grundsätzlich nicht zu vergüten, da es sich hierbei um eine regelmäßig vom beauftragten Sachverständigen selbst zu erbringende zentrale Aufgabe handelt. Das gilt ganz besonders für ein Gutachten nach § 109 SGG.

5. Für Diktat, Durchsicht und Korrektur des Gutachtens kommt erfahrungsgemäß für ca. 5 bis 6 Seiten etwa 1 Stunde Zeitaufwand in Betracht.

6. Das Gutachten zur Feststellung einer Erwerbsminderung ist im Regelfall der Honorargruppe M2 zuzuordnen und mit einem Stundensatz von 60 EUR zu vergüten.

 

Tenor

Die Vergütung für das Gutachten des Erinnerungsführers vom 8. Mai 2008 wird auf 1.658,08 Euro festgesetzt.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

 

Gründe

I.

In dem Berufungsverfahren B. B. ./. Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland (Az.: L 2 R 1175/06) beauftragte die Berichterstatterin des 2. Senats des Thüringer Landessozialgerichts mit Beweisanordnung vom 29. Juni 2007 den Erinnerungsführer, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie sowie Professor und Chefarzt für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie, mit der Erstellung eines Gutachtens nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) aufgrund ambulanter Untersuchung. Übersandt wurden ihm insgesamt 740 Blatt Akten (473 Blatt Verwaltungsakte, insgesamt 267 Blatt Gerichtsakte, teilweise doppelt geheftet). Auf die Mitteilung von 13. September 2009, das Gutachten werde von dem Facharzt J. durchgeführt und von dem Erinnerungsführer supervidiert, erwiderte die Berichterstatterin des 2. Senats, dieser sei nicht befugt, die persönliche Begegnung und das explorierende Gespräch auf einen Mitarbeiter zu übertragen. Er werde daher gebeten, diese selbst zu erbringen.

Der Erinnerungsführer fertigte unter dem 8. Mai 2008 sein Gutachten aufgrund ambulanter Untersuchungen am 12. September und 21. November 2007 sowie 13. Februar 2008 auf insgesamt 43 Blatt. Unterschrieben ist es von dem Erinnerungsführer und dem Assistenzarzt J. In der Kostenrechnung machte der Erinnerungsführer insgesamt 3.146,77 Euro geltend (30 Stunden Zeitaufwand zu einem Stundensatz von 85,00 Euro = 2.550,00 Euro, Schreibauslagen 94,35 Euro, Umsatzsteuer 502,42 Euro). Bezüglich der Einzelheiten wird auf Blatt 57 des Kostenhefts verwiesen. Mit Verfügung vom 28. Mai 2008 kürzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Vergütung auf 2.254,27 Euro und legte dabei eine erforderliche Zeit von 30 Stunden und einen Stundensatz von 60,00 Euro zugrunde.

Am 30. Juni 2008 hat der Beschwerdeführer die richterliche Festsetzung beantragt und vorgetragen, bei seinem Gutachten habe es sich nicht um eine einfache Istbeschreibung zur Frage der Erwerbsfähigkeit gehandelt. Vielmehr habe er einen komplizierten und zuvor strittigen Sachverhalt festgestellt und differenzierte Einschätzungen zum Krankheitsverlauf und zur Differentialdiagnostik vorgenommen. Damit müsse ein Stundensatz in der Honorargruppe M3 angesetzt werden.

Der Erinnerungsführer beantragt sinngemäß,

die Vergütung für das Gutachten vom 8. Mai 2008 auf 3.146,77 Euro festzusetzen.

Der Erinnerungsgegner beantragt,

die Vergütung für das Gutachten vom 8. Mai 2008 auf 2.193,59 Euro festzusetzen.

Nach seiner Ansicht steht dem Erinnerungsführer ein Honorar für 29,5 Stunden (einschließlich Zeitansatz für die Organisation und für drei Untersuchungstermine) zu einem Stundensatz von 60,00 Euro nach der Honorargruppe M2 zu.

Der Senatsvorsitzende hat den Beteiligten mit Verfügungen vom 18. Dezember 2008 und 17. Februar 2009 u.a. seine Bedenken gegen die Berücksichtigung der Zeitansätze für die Organisation, die Untersuchung und Beurteilung u...

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