Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Regelungsanordnung. erfasster Regelungszeitraum. ausnahmsweise rückwirkende Leistungsgewährung bei sog Nachholbedarf
Leitsatz (amtlich)
Bezieht sich ein Eilantrag auf Zeiträume vor seinem Eingang beim Gericht, können Leistungen in diesem Verfahren nur bei einem sogenannten Nachholbedarf gewährt werden, wenn also bei nicht rückwirkender Leistungsgewährung erhebliche Rechtsverletzungen für die Zukunft drohen (vgl LSG München vom 21.9.2009 - L 8 AS 585/09 B ER; LSG Darmstadt vom 20.6.2005 - L 7 AL 100/05 ER = info also 2005, 214).
Tenor
Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 12. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Kostenübernahme für in der Zeit vom 27. August bis zum 3. September 2009 erbrachte medizinische Leistungen.
Bei der 1961 geborenen Beschwerdeführerin wurde im August 2006 ein Mammakarzinom links diagnostiziert. Dieses wurde mit neoadjuvanter Chemo- und Antikörpertherapie sowie operativ behandelt. Im Juli 2009 wurde ein großes Rezidiv im Bereich des Sternums diagnostiziert.
Die Beschwerdeführerin bezieht seit dem 30. August 2009 Krankengeld in Höhe von 1.572,30 € sowie Kindergeld in Höhe von 164,00 € monatlich.
Am 24. August 2009 beantragte sie unter Vorlage der Patientenunterlagen des Dr. N. die Kostenübernahme für eine Immuntherapie mit dendritischen Zellen. Vom 27. August bis zum 3. September 2009 ließ sie die erste von vier - im Abstand von jeweils vier bis fünf Wochen - geplanten Vakzinierungen (ein Behandlungszyklus) durch Dr. N. durchführen. Am 3. September 2009 stellte ihr dieser 6.291,44 € in Rechnung. Mit Schreiben vom gleichen Tag erklärte er sich mit einer Ratenzahlung einverstanden. Er bitte zunächst um Zahlung eines Abschlagbetrages in Höhe von 5.306,22 €, der Restbetrag sei in monatlichen Raten von je 50,00 € zu zahlen.
Mit Bescheid vom 1. September 2009 lehnte die Beschwerdegegnerin eine Kostenübernahme der Immuntherapie mit dendritischen Zellen ab. Im Widerspruchsverfahren reichte die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme des Dr. N. vom 8. September 2009 ein, wonach aufgrund des bisherigen Verlaufs und auf Basis der wissenschaftlichen Erkenntnislage davon ausgegangen werden muss, dass es sich um Tumorzellen handelt, die sowohl gegenüber der Chemotherapie als auch gegenüber der Antikörpertherapie mit Herceptin eine Resistenz aufweisen. Somit stehe für die Beschwerdeführerin keine erfolgversprechende konventionelle Therapie mehr zur Verfügung. Einer wenig wirksamen, jedoch hochtoxischen, erneuten zytostatischen Therapie mit Taxol in Kombination mit Avastin stehe sie ablehnend gegenüber und wolle eine Immuntherapie mit dendritischen Zellen durchführen lassen. Diese sei indiziert und biete eine berechtigte Hoffnung, die Tumorerkrankung erfolgreich zu behandeln. Um eine weitere Progression der Erkrankung zu verhindern, müsse mit der Therapie unverzüglich begonnen werden.
Am 10. September 2009 hat die Beschwerdeführerin beim Sozialgericht Nordhausen beantragt, die Beschwerdegegnerin im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes zu verpflichten, die Kosten der ärztlichen Behandlung bei Dr. N. entsprechend der Rechnung vom 3. September 2009 zu übernehmen und die weitere Behandlung durch diesen zu genehmigen. Sie habe den ersten Zyklus der Behandlung bereits durchführen lassen, weil kein anderer Arzt ihr habe helfen können und sie auch nicht weiter habe abwarten wollen. Den Widerspruch hat die Beschwerdegegnerin nach Einholung eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Thüringen e.V. vom 1. Oktober 2009 mit Widerspruchsbescheid vom 8. Oktober 2009 zurückgewiesen. Hiergegen hat die Beschwerdeführerin Klage erhoben.
Mit Beschluss vom 9. Oktober 2009 hat das Sozialgericht die Beschwerdegegnerin im Wege einstweiligen Anordnung verpflichtet, die ab dem 10. September 2009 angefallenen Kosten der Immuntherapie-Behandlung mit dendritischen Zellen durch Dr. N. zu erstatten, die Kosten für zwei weitere Vakzinierungen zu übernehmen und im Übrigen den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt. Zur Begründung der Ablehnung hat das Sozialgericht ausgeführt, eine einstweilige Anordnung sei grundsätzlich in die Zukunft gerichtet. Soweit die Beschwerdeführerin sich ohne gerichtlichen Eilrechtsschutz in die Behandlung begeben habe, müsse zunächst eine zivilrechtliche Einigung mit dem behandelnden Arzt erfolgen.
Dagegen hat die Beschwerdeführerin am 9. November 2009 Beschwerde erhoben und vorgetragen, eine Stundung sei nur über einen Betrag in Höhe von 985,22 € möglich. Den Betrag in Höhe von 5.306,22 € könne sie als alleinerziehende Mutter nicht aufbringen. Seit ihrer Scheidung trage sie die Kreditverbindlichkeiten un...