Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Sachverständigenvergütung. Erforderlichkeit der nachvollziehbaren Aufschlüsselung des geltend gemachten Gesamtanspruchs. berufskundliches Gutachten: Einstufung in Honorargruppe 7
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Sachverständiger ist grundsätzlich verpflichtet, seinen Gesamtanspruch nachvollziehbar aufzuschlüsseln; nur dann ist eine Plausibilitätsprüfung anhand von Erfahrungswerten möglich.
2. Die Tätigkeit eines berufskundlichen Sachverständigen ist der Honorargruppe 7 der Anl 1 zu § 9 Abs 1 JVEG (80,00 Euro) zuzuordnen.
Tenor
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 17. Oktober 2011 aufgehoben und die Vergütung des Beschwerdeführers für das Gutachten vom 1. April 2008 auf 1.118,49 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe
I.
In dem Klageverfahren G. K. ./. Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland (Az.: S 17 R 424/06) beauftragte der Vorsitzende der 17. Kammer des Sozialgerichts Altenburg mit Beweisanordnung vom 10. März 2008 den Beschwerdeführer, einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Berufskunde und Tätigkeitsanalyse, mit der Erstattung eines berufskundlichen Gutachtens nach § 106 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Er solle unter Verwertung der vorliegenden Gutachten und Befundberichte zu folgenden Fragen Stellung nehmen:
I. Gibt es auf dem Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland mindestens 300 Arbeitsplätze für Produktionshilfstätigkeiten (unabhängig davon, ob die Arbeitsplätze offen oder besetzt sind), die der Kläger mit seinem von den medizinischen Sachverständigen Dres. S., H., F. und G. festgestellten Leistungsvermögen (Bl. 140 ff.) noch unter betriebsüblichen Bedingungen mindestens sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche ausüben könnte und die er unter Berücksichtigung seines beruflichen Werdeganges (vgl. die Sozial- und Berufsanamnese auf Seite 2 des Gutachtens des Sachverständigen Dr. Sch., Bl. 86 der Gerichtsakte) nach einer Einarbeitungszeit von höchstens drei Monaten vollwertig verrichten könnte?
Nicht zu berücksichtigen sind Arbeitsplätze, die in der Regel betriebsintern durch leistungsgeminderte Arbeitnehmer besetzt werden (Schonarbeitsplätze).
II. Falls es solche Arbeitsplätze gibt:
1. Welche Aufgaben hat der Arbeitnehmer dort im Einzelnen zu erfüllen und welche körperlichen und geistigen Anforderungen werden gestellt?
2. Bei welchen Unternehmen sind die Arbeitsplätze vorhanden?
III. Worauf beruhen Ihre Kenntnisse über die in Frage stehenden Produktionshilfstätigkeiten? Erbeten wird nicht die Mitteilung, worauf Ihre berufskundliche Sachkunde im Allgemeinen beruht, sondern worauf Sie sich bei der konkreten Beantwortung der vorstehenden Fragen stützen.
Übersandt wurden dem Beschwerdeführer insgesamt 365 Blatt Akten (154 Blatt Gerichtsakte, 144 Blatt Verwaltungsakte, 67 Blatt beigezogene Schwerbehindertenakten). Unter dem 19. März 2008 beantragte er eine Vergütung nach der Honorargruppe M3 nach § 9 Abs. 1 des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG). In der Anlage zu dieser Vorschrift sei sein Sachgebiet nicht aufgeführt. Andere Sozialgerichte hätten seine Entschädigung nach ihr bzw. Honorargruppe 8 festgesetzt.
Am 2. April 2008 ging sein unter dem 1. April 2008 gefertigtes Gutachten auf 17 Blatt ein. In seiner Kostenrechnung vom gleichen Tag machte er insgesamt 1.405,74 Euro geltend: Aktenstudium 3,5 Stunden, Ausarbeitung und Diktieren des Gutachtens 12,0 Stunden, insgesamt 15,5 Stunden, aufgerundet 16 Stunden x 85,00 Euro = 1.360,00 Euro; Auslagen und Aufwendungsersatz 45,74 Euro. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Bl. 40 f. des Kostenhefts verwiesen. Nachdem sein Schreiben vom 19. März 2008 nicht beantwortet wurde, dürfe er von der Honorargruppe 8 ausgehen. Mit Verfügung vom 11. April 2008 wies die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle diesen Betrag an.
Unter dem 9. Juni 2008 hat der Beschwerdegegner zuerst beantragt, die Vergütung für das Gutachten auf 1.004,49 Euro festzusetzen. Bei einem Zeitaufwand von 16 Stunden errechne sich die Vergütung bei einem Stundensatz von 60 Euro nach der Honorargruppe M2 auf 960,00 Euro. Hierzu kämen die Schreibauslagen (18,24 Euro), Kopierkosten (17,00 Euro) und Portokosten (9,25 Euro). Der Beschwerdeführer hat dagegen vorgetragen, er sei nach § 818 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nicht mehr bereichert. Er habe darauf vertraut, dass er den Auszahlungsbetrag in voller Höhe behalten dürfe, auch nachdem seine sämtlichen Gutachten von Zivil- und Sozialgerichten seit Jahren mit einem Stundensatz von 85,00 Euro vergütet würden. Er beantrage zudem eine Prüfung, ob die Rücknahme nach § 48 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) unzulässig sei. Unter dem 4. Februar 2010 hat der Beschwerdegegner beantragt, die Vergütung auf 584,75 Euro (7 Stunden x 80 Euro ≪560,00 Euro≫, Schreibgebühren 10,50 Euro, Kopierkosten 5,00 Euro, Porto 9,25 Euro) fest...