Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. anwaltliche Tätigkeit: Voraussetzungen für das Vorliegen "derselben Angelegenheit" gem § 7 Abs 1 RVG. getrennter Aufhebung und Erstattungsbescheid. selbstständiges Widerspruchsverfahren. Erledigungsgebühr gem RVG-VV Nr 1005, 1006
Leitsatz (amtlich)
1. Von derselben Angelegenheit ist in der Regel auszugehen, wenn zwischen den weisungsgemäß erbrachten anwaltlichen Leistungen ein innerer Zusammenhang gegeben ist, also ein einheitlicher Auftrag und ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit vorliegt (vgl BSG vom 2.4.2014 - B 4 AS 27/13 R = SozR 4-1935 § 15 Nr 1).
2. Es ist unerheblich, wenn Aufhebung und Erstattung in getrennten Bescheiden und/oder in selbständigen Widerspruchsverfahren entschieden werden und es sich prinzipiell um Individualansprüche der Kläger handelt (vgl LSG Erfurt vom 6.11.2014 - L 6 SF 1022/14 B).
3. Eine Erledigungsgebühr Nr 1006, 1005 VV-RVG entsteht mit der Annahme eines Teilanerkenntnisses und der anschließenden Erledigungserklärung (vgl LSG Erfurt vom 24.11.2014 - L 6 SF 1078/14 B).
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 22. Juli 2014 wird zurückgewiesen.
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwalts-vergütung. Es geht um zwei beim Sozialgericht anhängigen Verfahren (S 6 AS 7091/09 und S 6 AS 7087/09) der sich im Leistungsbezug befindlichen und vom Beschwerdeführer vertretenen Kläger.
1. Gegenstand des Hauptsacheverfahrens S 6 AS 7091/09 waren der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 27. August 2009 hinsichtlich der Leistungen für die Klägerin und ihre Tochter, in dem sie die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 1. September 2008 bis 31. Januar 2009 wegen des Bezugs von BAFÖG durch die Tochter S. teilweise aufhob und eine Erstattung von 428,00 Euro begehrte sowie der Bescheid vom 3. November 2009, in dem sie die Erstattungsforderung korrigierte (324,20 Euro). Mit der Klage wandten sich die Kläger gegen beide Bescheide und den ablehnenden Widerspruchsbescheid vom 4. November 2009.
2. Im Hauptsacheverfahren S 6 AS 7087/09 klagte der Ehemann der Klägerin (Kläger) gegen den Bescheid der Beklagten vom 27. August 2009 (Aufhebungs- und Erstattungsbescheid) hinsichtlich der Leistungsbewilligung für die Zeit vom 1. September 2008 bis 31. Januar 2009 wegen des Bezugs von BAFÖG der Stieftochter S. (342,00 Euro), den Korrekturbescheid vom 3. November 2009 (275,40 Euro) und den Widerspruchsbescheid vom 4. November 2009.
Beide Klagen begründete der Beschwerdeführer fast wortidentisch (keine Anrechnung des Einkommens, fehlerhafte Berechnung der Leistungen für Unterkunft und Heizung). Identisch sind auch die Schriftsätze vom 20. Juni, 11. September und 10. Oktober 2012.
Das Sozialgericht Gotha (SG) verhandelte die beiden und fünf weitere Verfahren der Kläger im 42 Minuten dauernden Erörterungstermin am 8. November 2012 und bewilligte den Klägern der Verfahren S 6 AS 7091/09 und S 6 AS 7087/09 Prozesskostenhilfe (PKH). Die Beklagte reduzierte die Rückforderungen gegenüber den Klägerinnen des Verfahrens S 6 AS 7091/09 um insgesamt 2,27 Euro bzw. gegenüber dem Kläger des Verfahrens S 6 AS 7087/09 um 1,81 Euro und erklärte sich bereit, den Klägern jeweils 50 v.H. der außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die den Beschwerdeführer vertretende Rechtsanwältin nahm die „Teilanerkenntnisse“ an und erklärte die Verfahren für erledigt.
In getrennten Kostenrechnungen vom 14. November 2012 beantragte der Beschwerdeführer folgende Gebühren aus der Staatskasse:
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S 6 AS 7091/09: |
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Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG |
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170,00 Euro |
Erhöhungsgebühr Nr. 1008 VV-RVG |
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51,00 Euro |
Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG |
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200,00 Euro |
Einigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG |
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190,00 Euro |
Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG |
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20,00 Euro |
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631,00 Euro |
USt |
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119,89 Euro |
Gesamtvergütung |
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750,89 Euro |
S 6 AS 7087/09: |
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Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG |
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170,00 Euro |
Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG |
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200,00 Euro |
Einigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG |
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190,00 Euro |
Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG |
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20,00 Euro |
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580,00 Euro |
USt |
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110,02 Euro |
Gesamtvergütung |
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690,20 Euro |
Nach Einholung von Stellungnahmen der Beklagten, die (nur) im Verfahren S 6 AS 7087/09 darauf hinwies, dass e sich bei beiden Verfahren tatsächlich um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 S. 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) gehandelt hatte und der Beschwerdeführer nach § 15 Abs. 2 S. 1 RVG deshalb die Gebühren nur einmal fordern könne, setzten die Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle (UdG) die Vergütungen auf 544,22 Euro (Beschluss vom 16. April 2013 - S 6 AS 7091/09) bzw. 243,95 Euro (Beschluss vom 29. Mai 2013 - S 6 AS 7087/09) fest. Auf § 15 Abs. 2 S. 1 RVG gingen sie nicht ein.
Gegen den Beschluss vom 29. Mai 2013 hat der Beschwerdeführer Erinnerung eingelegt, eine überdurchschnittliche Bedeutung des Verfahrens für den Kläger vorgetragen...