Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhe der Vergütung für ein vom Gericht eingeholtes medizinisches Sachverständigengutachten

 

Orientierungssatz

1. Bei der Erinnerungsentscheidung des Gerichts zur Höhe der Vergütung für ein medizinisches Sachverständigengutachten sind alle für die Vergütung maßgeblichen Umstände zu prüfen, unabhängig davon, ob sie angegriffen werden. Es kann lediglich nicht mehr festgesetzt werden als beantragt worden ist.

2. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich benötigte Zeit richtig sind. Werden die üblichen Erfahrungswerte um mehr als 15 % überschritten, so ist eine Plausibilitätsprüfung anhand der Kostenrechnung und der Angaben des Sachverständigen durchzuführen, vgl. BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2003 - X ZR 206/98.

3. Die Höhe der Vergütung richtet sich nach der zutreffenden Honorargruppe. Macht der Sachverständige eine Vergütung nach der höchsten Honorargruppe M 3 geltend, so erfordert dies den Nachweis notwendiger umfassender und vielseitiger bzw. vielschichtiger Überlegungen. Diese können mit diagnostischen oder ätiologischen Fragen zusammenhängen oder einer Vielzahl unklarer oder widerspruchsvoller Befunde bzw. anamnestischer Angaben. Es genügt nicht, wenn differentialdiagnostische Überlegungen angestellt werden. Sie müssen einen hohen Schwierigkeitsgrad haben.

 

Tenor

Die Vergütung für das Gutachten des Erinnerungsführers vom 22. April 2013 wird auf 1.277,39 Euro festgesetzt.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

 

Gründe

I.

In dem Berufungsverfahren Kreiskrankenhaus R. ./. Deutsche Rentenversicherung (L 6 KR 827/09) beauftragte die Berichterstatterin des 6. Senats des Thüringer Landessozialgerichts mit Beweisanordnung vom 20. Juli 2012 Prof. Dr. St.-Th. mit der Erstellung eines Gutachtens nach § 106 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu folgenden Beweisfragen:

1. Welche Erkrankungen lagen bei dem Versicherten H. L. im Zeitraum der stationären geriatrischen Komplexbehandlung im Zeitraum vom 24. Oktober bis 17. November 2005 vor?

2. War aufgrund der vorliegenden Erkrankungen eine geriatrische frührehabilitive Komplexbehandlung des Versicherten H. L. unter stationären Krankenhausbedingungen aus medizinischen Gründen notwendig oder wäre eine orthopädische Rehabilitationsmaßnahme in Form einer Abschlussbehandlung ausreichend gewesen?

3. Sind Zusatzgutachten erforderlich? Wenn ja, auf welchem Fachgebiet?„

Mit Beweisanordnung vom 6. September 2012 änderte sie diese Beweisanordnung ab, entband Prof. Dr. St.-Th. von der Gutachtenserstellung und ernannte den Erinnerungsführer, Facharzt für Innere Medizin, Sportmedizin, Klinische Geriatrie zum Sachverständigen. Unter dem 22. April 2013 erstellte er sein Aktengutachten auf insgesamt 18 Blatt. In seiner Kostenrechnung vom gleichen Tag machte er eine Vergütung von insgesamt 1.884,29 Euro geltend (18 Stunden Zeitaufwand ≪5 Stunden Aktenstudium, 8 Stunden Abfassung der schriftlichen Beurteilung, 5 Stunden Diktat und Korrektur≫ x 85,00 Euro, Porto 10,00 Euro, Schreibgebühren/Kopien 43,44 Euro, MWSt 300,85 Euro). Bezüglich der Einzelheiten wird auf Blatt 7 des Kostenhefts verwiesen. Mit Verfügung vom 13. Mai 2013 kürzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Vergütung auf 884,69 Euro und legte einen notwendigen Zeitaufwand von 11,14 Stunden (5 Stunden Aktenstudium, 3,3 Stunden Beurteilung, 2,83 Stunden Diktat und Korrektur), aufgerundet 11,5 Stunden und einen Stundensatz von 60,00 Euro (M2) zugrunde.

Am 3. Juli 2013 hat sich der Erinnerungsführer gegen die Festsetzung gewandt und vorgetragen, er könne die Kürzung nicht hinnehmen. Mit anderen Gerichten habe er Sondervereinbarungen mit festgelegtem Honorar.

Der Erinnerungsführer beantragt sinngemäß,

die Vergütung für das Gutachten vom 22. April 2013 auf 1.884,29 Euro festzusetzen.

Der Erinnerungsgegner beantragt,

die Vergütung auf 884,69 Euro festzusetzen.

Nach seiner Ansicht ist dem Zeitansatz und der Zuordnung der Honorargruppe M2 in der Festsetzung der Urkundsbeamtin zu folgen.

Diese hat der Erinnerung nicht abgeholfen (Verfügung vom 3. Juli 2013) und sie dem erkennenden Senat vorgelegt.

II.

Nach § 4 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz ≪JVEG≫) erfolgt die Festsetzung der Vergütung durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen erachtet. Zuständig ist das Gericht, von dem der Berechtigte herangezogen worden ist (§ 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 JVEG). Der Erinnerungsführer ist Berechtigter im Sinne dieser Vorschrift.

Bei der Erinnerungsentscheidung sind alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie angegriffen werden (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. ...

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