Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Statthaftigkeit der Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe. Beschränkung des Streitgegenstandes im Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf einen die Berufungssumme unterschreitenden Wert. Aufrechnung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Beschränkung des Streitgegenstandes im Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf einen die Berufungssumme unterschreitenden Wert steht der Statthaftigkeit der Beschwerde gegen die ablehnende Prozesskostenhilfeentscheidung nicht entgegen. § 172 Abs 3 Nr 2 Buchst c SGG stellt lediglich sicher, dass die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe dann ausgeschlossen ist, wenn das Sozialgericht in der Sache durch unanfechtbaren Beschluss, somit endgültig entscheidet (vgl Böttger in Breitkreuz/Fichte, SGG - Kommentar, 2. Auflage, § 172 Rn 46d mwN). Dies ist nicht der Fall, wenn ausgehend von dem Streitgegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens der Beschwerdewert erreicht wird, mithin die Beschwerde statthaft ist.

 

Orientierungssatz

1. Eine Aufrechnungslage liegt gemäß § 387 BGB vor, wenn der Schuldner die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann. Die Forderung des aufrechnenden Leistungsträgers (Gegenforderung) muss mithin entstanden und fällig sein, während die gleichartige Forderung, mit der aufgerechnet werden soll (Hauptforderung), zwar nicht fällig, aber bereits entstanden und erfüllbar sein muss (vgl BSG vom 24.7.2003 - B 4 RA 60/02 R - SozR 4-1200 § 52 Nr 1).

2. Hat der der Leistungsträger zeitgleich über eine Erstattungsforderung sowie eine Aufrechnung entschieden, fehlt es dem Erstattungsbescheid aufgrund der noch laufenden Widerspruchsfrist - unabhängig von der tatsächlichen Einlegung des Widerspruchs - an der Bestandskraft. Hat der Leistungsträger auch nicht die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet, ist die Fälligkeit der Gegenforderung nicht gegeben.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 10. Dezember 2014 aufgehoben und Prozesskostenhilfe ohne Raten für das erstinstanzliche Verfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt … bewilligt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt die Gewährung von Prozesskostenhilfe für ein erstinstanzliches Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, in dessen Rahmen sie die Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 30. Oktober 2014 gegen den Erstattungsbescheid vom 29. Oktober 2014 sowie die Nachzahlung der einbehaltenden Beträge beantragte.

Die 1960 geborene alleinstehende Antragstellerin bezog im Jahr 2014 Leistungen nach dem SGB II bei dem Antragsgegner. Sie erzielt monatlich schwankendes Einkommen aus einer Beschäftigung bei der … GmbH.

Mit Bescheid vom 1. April 2014 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin für den Zeitraum 1. Mai 2014 bis 31. Oktober 2014 vorläufig monatlich 489,85 Euro. Zur Begründung der Vorläufigkeit verwies er auf das unterschiedlich hohe Einkommen aus Erwerbstätigkeit.

Mit Änderungsbescheid vom 12. Mai 2014 gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin aufgrund der Korrektur des Einkommens für den Zeitraum 1. Juni 2014 bis 31. Oktober 2014 vorläufig monatlich 347,56 Euro.

Mit weiteren Änderungsbescheiden vom 26. Juni 2014, 16. Juli 2014 und 26. Juli 2014 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin für die Monate August 2014 bis Oktober 2014 vorläufig monatlich 180,65 Euro. Zur Begründung führte er die Aufnahme des Herrn ... als Partner der Antragstellerin in die Bedarfsgemeinschaft, die Berücksichtigung des von ihm auf die Antragstellerin überzuleitenden Renteneinkommens sowie die Anpassung des Einkommens der Antragstellerin für die Zukunft unter Berücksichtigung der Verdienstbescheinigungen der Vergangenheit an.

Am 23. Oktober 2014 lehnte der Antragsgegner den Leistungsantrag für Mai 2014 ab und gewährte der Antragstellerin für den Zeitraum 1. November 2014 bis 30. April 2015 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von vorläufig 474,71 Euro.

Mit Bescheid vom 29. Oktober 2014 setzte der Antragsgegner die Leistungen für den Zeitraum 1. Juni 2014 bis 31. Oktober 2014 endgültig fest. Dabei gewährte er der Antragstellerin für Juni 2014 123,17 Euro, für Juli 2014 180,65 Euro, für August 2014 147,43 Euro, für September 2014 218,65 Euro und für Oktober 503,48 Euro.

Mit Bescheid gleichen Datums forderte er für den Zeitraum 1. Mai 2014 bis 31. August 2014 die Erstattung überzahlter Beträge - für Mai 2014 489,85 Euro, für Juni 2014 224,39 Euro, für Juli 2014 166,91 Euro und für August 33,22 Euro. Zugleich erklärte er, dass die Nachzahlung für September 2014 in Höhe von 38,00 Euro und für Oktober 2014 in Höhe von 322,83 Euro mit der Erstattungsforderung in Höhe von insgesamt 914,37 Euro verrechnet werde, so dass die Antragstellerin lediglich die Restüberzahlung in Höhe von 553,54 Euro zu erstatten habe. Die Erstattungsforderung werde unter Berücksichtigung vom § 43 SGB II in monatlichen Raten in Höhe von 39,10 Euro mit den z...

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