Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Streitwertfestsetzung. Entscheidung über die Streitwertbeschwerde durch den Einzelrichter. Falsche Rechtsmittelbelehrung

 

Orientierungssatz

Nach § 66 Abs 6 S 1 GKG iVm § 68 Abs 1 S 3 GKG entscheidet das Beschwerdegericht durch eines seiner Mitglieder über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder Rechtspfleger erlassen wurde. Diese Bestimmung ist auch im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbar (vgl LSG Essen vom 1.4.2009 - L 10 B 42/08 P; LSG Stuttgart vom 16.12.2008 - L 10 R 5747/08 W-B; LSG Chemnitz vom 9.6.2008 - L 1 B 351/07 KR).

 

Normenkette

GKG §§ 63, 66 Abs. 6 S. 1, § 68 Abs. 1; SGG § 197a

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 23. Februar 2010 aufgehoben.

Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. In der Hauptsache begehrt die Klägerin und Beschwerdegegnerin von der Beklagten und Beschwerdeführerin eine Umgruppierung ihres Produktes Genu Train A3 von der Produktart 05.04.01.0 in die Produktart 05.04.01.2 des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 139 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V).

Auf Anfrage des Vorsitzenden der 4. Kammer des Sozialgerichts (SG) teilte diese am 24. Februar 2010 mit, sie habe mit dem Produkt Genu Train A3 im Jahr 2008 einen Jahresumsatz in Höhe von 639.287,58 Euro und im Jahr 2009 einen Jahresumsatz in Höhe von 654.077,49 Euro erzielt.

Mit Beschluss vom 23. Februar 2010, der Beschwerdeführerin zugestellt am 5. März 2010, hat das SG den Streitwert nach § 197a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG) auf 32.334 € festgesetzt. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, nach § 197a SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG sei eine Festsetzung des Streitwerts zur Berechnung der Gerichts- und außergerichtlichen Kosten notwendig. Der Streitwert sei nach § 52 Abs. 3 GKG auf 32.334 Euro festzusetzen gewesen. Nach der dem Beschluss beigefügten Rechtsmittelbelehrung ist nach § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG die Beschwerde zum Thüringer Landessozialgericht statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde sei innerhalb von sechs Monaten ab dem 25. Februar 2010 (§ 68 Abs. 1 Satz 2 GKG, § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG) einzulegen.

Hiergegen hat die Beschwerdeführerin am 24. August 2010 Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat (Verfügung vom 27. August 2010). Sie wendet sich gegen die durch das SG vorgenommene endgültige Festsetzung des Streitwertes nach § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Ihrer Ansicht nach hätte nur eine vorläufige Streitwertfestsetzung nach § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG erfolgen dürfen. Auch inhaltlich sei der Streitwertbeschluss unzutreffend. Es sei nicht nachvollziehbar, wie sich die Streitwertfestsetzung in Höhe von 32.334 Euro aus § 52 Abs. 3 GKG ergeben solle.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beschwerdeakte und der beigezogenen Gerichtsakte des SG Altenburg - Az.: S 4 KR 311/10 Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidung war.

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

Nach § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG i.V.m. § 68 Abs. 1 Abs. 6 GKG entscheidet das Beschwerdegericht durch eines seiner Mitglieder über die Beschwerde gegen den Beschluss durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder Rechtspfleger erlassen wurde.

Diese Bestimmung ist auch im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbar (vgl. Landessozialgerichts (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1. April 2009 - Az.: L 10 B 42/08 P, LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16. Dezember 2008 - Az.: L 10 R 5747/08 W-B, Sächsisches LSG, Beschluss vom 9. Juli 2008 - Az.: L 1 B 351/07 KR, nach juris).

Die Anwendung des § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG scheitert nicht daran, weil im SGG anders als in der Zivilprozessordnung (ZPO) kein originärer Einzelrichter und damit auch keine generelle Entscheidung durch den Einzelrichter vorgesehen ist. Seinem klaren Wortlaut nach handelt es sich bei § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG insoweit um eine Spezialzuweisung (vgl. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1. April 2009, a.a.O.). Für die am Wortlaut der Regelung orientierte Auslegung des § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG spricht, dass das SGG die Entscheidung durch einen einzelnen Richter in mehreren Fallgestaltungen kennt. § 155 SGG erlaubt ebenfalls Entscheidungen durch ein einzelnes Senatsmitglied, nämlich den Vorsitzenden (§ 155 Abs. 2 und Abs. 3 SGG) oder den Berichterstatter, soweit diese Befugnis vom Vorsitzenden übertragen wird (§ 155 Abs. 4 SGG). Unabhängig davon, ob es sich hierbei um Einzelrichterentscheidungen im rechtstechnischen Sinne handelt, zeigt § 155 SGG, dass durch einen einzelnen Richter außerhalb der sonst vorgesehenen Senatsbesetzung mit drei Berufsrichtern (§ ...

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