Entscheidungsstichwort (Thema)
Einfacher Anfall der Rechtsanwaltsgebühr bei getrennten Verfahren in derselben Angelegenheit
Orientierungssatz
Wendet sich ein Kläger mit inhaltlich nahezu identischen Klagebegründungen gegen denselben Beklagten, so kommen Gebühren für beide Verfahren nur einmal in Betracht. In einem solchen Fall liegt auch bei getrennten Verfahren dieselbe Angelegenheit vor. Bei Bestehen eines einheitlichen Lebenssachverhaltes erfolgt keine unterschiedliche Prüfung der jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen. Dies schließt einen zweifachen Anfall der Rechtsanwaltsgebühren aus.
Tenor
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 21. Oktober 2015 wird zurückgewiesen.
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwalts-vergütung für ein Verfahren beim Sozialgericht Gotha (SG), in dem der Beschwerdeführer den Kläger vertrat (S 26 AS 93/10).
Mit der am 4. Januar 2010 erhobenen Klage begehrte der Kläger die Aufhebung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 11. Februar 2009 (teilweise Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB II≫ für den Zeitraum vom 1. Februar 2007 bis 31. Januar 2009 wegen Anrechnung von Einkommen; Rückforderung: 1.248,57 Euro) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2009 (Geschäftszeichen: W 682/09), hilfsweise die ihm im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Zur Begründung der Klage führte der Beschwerdeführer aus, es sei schon keine Rechtsgrundlage für eine Aufhebung in der genannten Höhe ersichtlich. Nach § 22 Abs. 1 SGB II würden laufende einmalige Leistungen für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe erbracht, soweit sie angemessen seien. Ein Abzug der Kosten der Warmwasserbereitung sei nur in Höhe des tatsächlich bereits in der Regelleistung enthaltenen Anteils zulässig. Zudem sei das Einkommen des Klägers fehlerhaft. Tatsächlich hätten seine vier Kinder die kostenlosen Zeitungen ausgetragen. Jeden Monat würde daher durch die vier Kinder ein Gesamteinkommen zwischen 200,00 Euro und 250,00 Euro erzielt, welches zwischen diesen aufgeteilt werde.
Mit einer weiteren am 4. Januar 2010 erhobenen Klage (S 26 AS 96/10) begehrten die Klägerinnen zu 1. bis 6., die Ehefrau des Klägers und die mit ihr und dem Kläger in einem Haushalt lebenden Kinder, die Aufhebung des Bescheides vom 11. Februar 2009 (teilweise Aufhebung der Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. Februar 2007 bis 31. Januar 2009 wegen der Anrechnung von Einkommen; Rückforderung: 3.631,68 Euro) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Dezember 2009 (Geschäftszeichen: W4273/09 u.a.).
Am 16. September 2010 wurden in einem Erörterungstermin, der von 10:00 Uhr bis 11:30 Uhr dauerte, neben den genannten beiden Rechtsstreitigkeiten weitere neun anhängige Verfahren des Klägers und der Klägerinnen verhandelt. Dem Kläger und den Klägerinnen wurde mit Beschluss vom gleichen Tag Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung einer Mitarbeiterin des Beschwerdeführers bewilligt. In dem Erörterungstermin am 7. Februar 2013, der von 9:00 Uhr bis 13:25 Uhr dauerte, nahm der Kläger die Klage (S 26 AS 93/10) im Rahmen eines protokollierten Vergleichs zurück. Der Rechtsstreit der Klägerinnen wurde in diesem Termin ebenfalls beendet.
Der Beschwerdeführer beantragte unter dem 18. Februar 2018 mit getrennten Kostenrechnungen die Abrechnung beider Rechtsstreitigkeiten.
Für den Rechtsstreit S 26 AS 96/10 beantragte er die Festsetzung der Gebühr auf 1.439,90 Euro. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) setzte die Vergütung auf 698,17 Euro fest. Dem folgte ein Erinnerungsverfahren (S 22 SF 439/13 E), in dem die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 824,08 Euro festgesetzt wurde und ein Beschwerdeverfahren (L 6 SF 1261/14 B) in dem ein Hinweis erteilt wurde, dass es sich nach der derzeitigen Sachlage bei den zehn Verfahren um dieselbe Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne gehandelt haben dürfte. Daraufhin nahm der Beschwerdeführer die Beschwerde zurück.
Für den Rechtsstreit S 26 AS 93/10 beantragte er die Festsetzung folgender Vergütung:
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Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG |
320,00 Euro |
Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG |
200,00 Euro |
Erledigungsgebühr Nr. 1002, 1006 VV-RVG |
190,00 Euro |
Post- und Telekommunikationsentgelt Nr. 7002 VV-RVG |
20,00 Euro |
Zwischensumme |
730,00 Euro |
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG |
138,70 Euro |
Summe |
868,70 Euro |
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) setzte mit Kostenfestsetzungsbeschluss (richtig: Vergütungsfestsetzungsbeschluss) vom 1. Juli 2013 die zu zahlende Vergütung auf 555,73 Euro fest. (Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG: 57,00 Euro, Erledigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG 190,00 Euro, Terminsgebühr Nr. 3106 200,00 Euro, Auslagen/Pauschale Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro, Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG 88,73 Euro) f...