Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsvereinbarung. Ausbildung an einem Berufskolleg. Ausschluss des Leistungsanspruches. Förderungsfähigkeit der Ausbildung für Auszubildende im Rahmen des BaföG. Vertrauensschutz
Orientierungssatz
1. Ein Leistungsanspruch auf Leistungen nach dem SGB II ist nach § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II ausgeschlossen, wenn eine Ausbildung im Rahmen des BAföG dem Grunde nach förderungsfähig ist. Dies ist dann der Fall, wenn sie (in ihrer konkreten Ausgestaltung) abstrakt, also unabhängig von individuellen, in der Person des Studierenden liegenden Versagungsgründen (Überschreitung der Förderungshöchstdauer oder der Altersgrenze, unbegründeter Fachrichtungswechsel, mangelnde Eignung), gefördert werden kann.
2. Die in der Regelung des § 45 SGB X normierten Grundsätze des Vertrauensschutzes lassen eine analoge Anwendung auf ein Leistungsbegehren (hier: Zahlung von Leistungen nach dem SGB II) nicht zu.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 22. März 2007 insoweit aufgehoben, als dem Antragsteller für den Monat Januar 2007 mehr als 81,00 € und für die Monate Februar bis Juni 2007 mehr als 345,00 € monatlich gewährt werden.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege einer einstweiligen Anordnung (beginnend ab dem 25. Januar 2007) Leistungen nach dem SGB II. Die Antragsgegnerin wendet sich mit der Beschwerde gegen ein Obsiegen des Antragstellers für Januar 2007 im Umfang von mehr als 81,00 € sowie für die Monate Februar bis Juni 2007 im Umfang von mehr als 345,00 € monatlich.
Der Antragsteller befindet sich seit Sommer 2006 in einer Ausbildung zum präparationstechnischen Assistenten an der Höheren Berufsfachschule Walter-Gropius-Berufskolleg der Stadt B.
Eine Eingliederungsvereinbarung vom 26. April 2006, die für die Zeit bis zum 26. Oktober 2006 geschlossen wurde, wurde unter dem 23. Mai 2006 dahin geändert, dass die Antragsgegnerin ihre Zustimmung zur Ausbildung an dem zuvor genannten Berufskolleg erteilte. Der Antragsteller verpflichtete sich zur Teilnahme an der Ausbildung.
Die Antragsgegnerin bewilligte dem Antragsteller zuletzt für die Zeit vom 1. Juli 2006 bis zum 31. Dezember 2006 Leistungen nach dem SGB II in monatlicher Höhe von 756,60 € (Bescheid vom 5. Juli 2006).
Den Fortzahlungsantrag vom 29. Dezember 2006 lehnte die Antragsgegnerin ab, weil die vom Antragsteller begonnene Ausbildung im Rahmen des BAföG dem Grunde nach förderungsfähig sei, sodass eine Gewährung von Leistungen nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II ausgeschlossen sei (Bescheid vom 9. Januar 2007).
Der Antragsteller hat am 20. Januar 2007 um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Er habe letztlich seine zweijährige Ausbildung in Abstimmung mit der Antragsgegnerin aufgenommen und nicht zuletzt wegen der räumlichen Entfernung der Ausbildungsstätte erhebliche persönliche und finanzielle Belastungen hingenommen. Die Zustimmung der Antragsgegnerin in der Eingliederungsvereinbarung hätte von ihm nur so verstanden werden können, dass die Antragsgegnerin die Ausbildung während der gesamten Dauer fördere, indem sie weiterhin für den gesamten Zeitraum die Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II erbringe. Die Antragsgegnerin habe insoweit mit dem Antragsteller einen öffentlichrechtlichen Vertrag geschlossen, an dessen Inhalt sie weiterhin gebunden sei. Die Eingliederungsvereinbarung sei auch bislang nicht gekündigt worden. So wie der Antragsteller die Vereinbarung durch die Fortsetzung der Ausbildung einhalte, habe auch die Antragsgegnerin die einmal übernommene Verpflichtung zur Förderung der Ausbildung einzuhalten.
Das Sozialgericht hat die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende für die Zeit vom 25. Januar 2007 bis zum 31. Januar 2007 in Höhe von 177,00 € und für die Zeit vom 1. Februar 2007 bis zum 30. Juni 2007 in Höhe von monatlich 757,00 € zu gewähren. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt. Die Antragsgegnerin könne sich nicht auf § 7 Abs. 5 SGB II berufen, weil dies dem Grundsatz des Vertrauensschutzes widersprechen würde. Die Antragsgegnerin habe mit der Eingliederungsvereinbarung beim Antragsteller Vertrauen darauf begründet, die von ihm begonnene Ausbildung stehe einer Leistungsgewährung nach dem SGB II nicht entgegen. Ohne die vom Leistungsbetreuer erklärte Zustimmung hätte der Antragsteller aller Wahrscheinlichkeit nach die Ausbildung nicht begonnen. Hieran ändere sich auch nichts dadurch, dass die erteilte Zustimmung rechtswidrig gewesen sei, weil auch rechtswidriges Verhalten einer Behörde grundsätzlich wirksam sei. Inwieweit das Vertrauen des Antragstellers schutzwürdig sei, müsse in entsprechender Anwendung von § 45 SGB X ermittelt werden. Hier sei das Vertrauen schutzwürdig, weil der Antragsteller Vermögensdispositionen getroffen habe, die er nicht mehr oder n...