Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Terminsgebühr. Bemessungskriterien. Terminsdauer. anwaltliche Tätigkeit. Höchstgebühr bei durchschnittlichem Umfang, aber überdurchschnittlicher Schwierigkeit und Bedeutung der Angelegenheit. Rahmengebühr

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Ansicht, (allein) wesentliches Bemessungskriterium der Terminsgebühr sei die Dauer des Termins, widerspricht dem klaren Wortlaut des Gesetzes (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 10. April 2013 - L 6 SF 471/13 B).

2. Auch wenn der Umfang der Tätigkeit im Termin im durchschnittlichen Bereich liegt, können die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit (hier: notwendige intensive Auseinandersetzung mit medizinischen Fachgutachten, Auseinandersetzung mit Berufsschutz und zumutbaren Verweisungstätigkeiten) und die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger (hier: Dauerrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung) die Höchstgebühr rechtfertigen.

 

Normenkette

RVG § 14 Abs. 1 S. 1, § 3 Abs. 1 S. 1; VV-RVG Nr. 3106

 

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 14. Januar 2013 aufgehoben und die Gebühren des Beschwerdeführers auf 1.143,17 Euro festgesetzt.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Altenburg (S 14 R 3462/07 ZVW) streitig.

Mit Bescheid vom 20. April 2005 lehnte die Rechtsvorgängerin der Beklagten (Bahnversicherungsanstalt) die Weitergewährung der dem Kläger bis Ende März 2005 gewährten Rente wegen voller Erwerbsminderung nach Einholung eines unfallchirurgischen Gutachtens des Prof. Dr. Dr. H. vom 20. März 2005 ab und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2005 nach Einholung eines internistischen Gutachtens des Dr. F. vom 26. Mai 2005 zurück. Der von dem Beschwerdeführer vertretene Kläger erhob am 8. September 2005 Klage (S 14 KN 2548/05 R) vor dem Sozialgericht Altenburg (SG). Mit Gerichtsbescheid vom 21. Septemberc2006 wies dieses die Klage mit der Begründung als unzulässig ab, die Klagefrist sei nicht eingehalten worden. Auf die Berufung hob der 2. Senat des Thüringer Landessozialgerichts den Gerichtsbescheid mit Urteil vom 13. September 2007 (L 2 R 1007/06) auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG zurück. Die wegen fehlerhafter Rechtsbehelfsbelehrung einschlägige Jahresfrist nach § 66 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) habe der Kläger gewahrt. Das SG bewilligte dem Kläger mit Beschluss vom 17. April 2008 unter Beiordnung des Beschwerdeführers Prozesskostenhilfe (S 14 R 3462/07 ZVW), zog diverse medizinische Unterlagen bei und holte von Dr. K. ein unfallchirurgisches Gutachten vom 28. April 2009, von Dr. K. ein internistisches Gutachten vom 22. Oktober 2009 sowie eine ergänzende Stellungnahme vom 11. August 2010, von Dr. F. ein arbeitsmedizinisches Gutachten vom 9. Juni 2010 und von Prof. Dr. P. ein internistisches Gutachten vom 31. Januar 2011 ein. Auf die laut Niederschrift 36 Minuten dauernde mündliche Verhandlung vom 9. Juni 2011 verurteilte das SG die Beklagte, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Dauer von drei Jahren ab 1. Juni 2005 sowie eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. Juni 2005 zu gewähren; die Beklagte trage zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten des Klägers.

In seiner Kostenrechnung vom 22. Juni 2011 beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung von 1.143,17 Euro. Unter Berücksichtigung einer Vorschusszahlung von 321,30 Euro betrage der Restbetrag 821,87 Euro:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG

460,00 Euro

Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG

380,00 Euro

Kopien Nr. 7000 Abs. 1 VV-RVG

36,85 Euro

Fahrtkosten Nr. 7003 VV-RVG

43,80 Euro

Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV-RVG

 20,00 Euro

Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG

 20,00 Euro

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG

182,52 Euro

Abzüglich Vorschuss

321,30 Euro

Gesamtsumme

821,87 Euro

Unter dem 28. Juni 2011 wies die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) 607,67 Euro an und führte aus, bei der Terminsgebühr sei nur die Mittelgebühr (200 Euro) anzusetzen. Sie und die Verfahrensgebühr seien stets differenziert zu betrachten. Die Dauer des Termins von 36 Minuten rechtfertige keinesfalls die höchste Gebühr.

Auf die Erinnerung des Beschwerdegegners hat das SG mit Beschluss vom 14. Januar 2013 die “zu zahlende Vergütung„ auf 607,67 Euro festgesetzt und ausgeführt, bei der Bewertung der Terminsgebühr sei die Dauer des Termins das wesentliche Kriterium. Damit werde der relevante Aufwand des Rechtsanwalts in zeitlicher Hinsicht unmittelbar erfasst (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. Dezember 2009 - L 19 B 180/09 AS; SG Berlin, Beschluss vom 17. Februar 2011 - S 180 SF 3212/10 E). Bei einer Terminsdauer von 36 Minuten sei nur die Mittelgebühr gerechtfertigt. Der Beschluss sei unanfechtbar.

Gegen den am 24 Januar 2013 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer ...

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