Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Verfahrensgebühr. Streit über Dauerleistung (hier: Dauerrente) zur Sicherstellung des Lebensunterhalts des Berechtigten. überragende Bedeutung der Sozialleistung. Erhöhung der Mittelgebühr. Rentenverfahren. keine Regelvermutung für Höchstgebühr

 

Leitsatz (amtlich)

Sozialrechtliche Streitigkeiten über typische Dauerleistungen, die den wesentlichen Lebensunterhalt des Leistungsberechtigten sicherstellen, sind wegen der außergewöhnlichen Bedeutung der Sozialleistung grundsätzlich geeignet, eine über die Mittelgebühr liegende Verfahrensgebühr (bis zur Höchstgebühr) zu begründen. Eine Regelvermutung für das Entstehen der Höchstgebühr im Rentenverfahren besteht allerdings nicht (vgl LSG Erfurt vom 30.8.2002 - L 6 B 3/02 SF).

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 18. April 2017 (S 48 SF 4738/15 E) aufgehoben und die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung des Beschwerdeführers für das Verfahren L 12 R 1457/12 auf 1.267,35 € festgesetzt. Im Übrigen werden die Beschwerden zurückgewiesen.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für das beim Thüringer Landessozialgericht (LSG) anhängig gewesene Berufungsverfahren (Az.: L 12 R 1457/12) in dem der Beschwerdeführer die Klägerin ab dem 23. Januar 2014 vertrat.

Mit Bescheid vom 25. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. November 2009 lehnte die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab. Die 1982 geborene Klägerin erhob am 15. Dezember 2009 Klage (S 27 R 7308/09) vor dem Sozialgericht Gotha (SG). Das SG zog diverse Befundberichte mit medizinischen Anlagen bei und holte ein psychosomatisches Schmerzgutachten der Dr. G. vom 10. Dezember 2011 nebst ergänzender Stellungnahme vom 24. Juni 2012 bei. Mit Urteil vom 26. Juni 2012 wies das SG die Klage ab. Hiergegen legte die Klägerin unter dem 6. September 2012 beim Thüringer Landessozialgericht (LSG) Berufung ein, die die vormaligen Prozessbevollmächtigten begründeten. Das LSG zog diverse Befundberichte bei. Unter dem 23. Januar 2014 zeigte der Beschwerdeführer die Mandatsübernahme an und beantragte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH). Mit Schriftsatz vom 3. März 2014 überreichte er einen aktuellen Befundbericht des Dr. W. vom 7. Februar 2014; mit weiterem Schriftsatz beantragte er die Verlängerung der Frist zur Stellungnahme. Mit Schriftsatz vom 2. Juli 2014 übersandte er drei Arztbriefe sowie den Bescheid des Landratsamtes S. vom 13. Februar 2014 (GdB 80 v.H.). Mit Beschluss vom 8. Juli 2014 bewilligte das LSG der Klägerin PKH ohne Ratenzahlungsbestimmung unter Beiordnung des Beschwerdeführers. Im Berufungsverfahren wurde ein orthopädisch-unfallchirurgisches Gutachten des Dr. M. vom 21. Juli 2014 eingeholt, das 88 Seiten umfasste. Mit zwei weiteren Schriftsätzen beantragte der Beschwerdeführer jeweils die Verlängerung der Frist zur Stellungnahme und teilte mit, die Klägerin befinde sich zurzeit in einer Rehabilitationsbehandlung. Mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2014 nahm er auf knapp drei Seiten zu dem Gutachten des Dr. M. Stellung, beantragte erneut Akteneinsicht sowie die Beiziehung weiterer medizinischer Unterlagen unter Überreichung des Rehabilitationsentlassungsberichtes des “Eisenmoorbad Bad Sch.„ vom 1. Oktober 2014. In der mündlichen Verhandlung vom 11. März 2015, die von 11:02 Uhr bis 11:28 Uhr dauerte, wies das Thüringer Landessozialgericht die Berufung der Klägerin zurück.

Am 16. März 2015 beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung folgender Vergütung:

Verfahrensgebühr Nr. 3204 VV RVG

680,00 €

Terminsgebühr Nr. 3205 VV RVG

510,00 €

Fahrtkosten Nr. 7003 VV RVG

45,00 €

Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV RVG

25,00 €

Pauschale und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG

20,00 €

Zwischensumme

1.280,00 €

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG

243,20 €

Summe

1.523,20 €

Die (UdG) setzte mit Kostenfestsetzungsbeschluss (richtig: Vergütungsfestsetzungsbeschluss) vom 6. Juli 2015 die zu zahlende Vergütung auf 1.249,50 € (Verfahrensgebühr Nr. 3204 VV-RVG: 680,00 €, Terminsgebühr Nr. 3205 VV-RVG 280,00 €, Auslagen/Pauschale Nr. 7002 VV-RVG 20,00 €, Fahrtkosten Nr. 7003 VV-RVG 45,00 €, Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV-RVG 25,00 €, Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG 199,50 €) fest. Hinsichtlich der Terminsgebühr werde unter Berücksichtigung der Kriterien zu § 14 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) die Mittelgebühr als angemessen erachtet. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit würden als noch durchschnittlich gewertet.

Hiergegen hat der Beschwerdeführer Erinnerung eingelegt und zur Begründung auf den Beschluss des Thüringer Landessozialgerichts vom 11. November 2013 (L 6 SF 230/13 B) Bezug genommen. Der Beschwerdegegner hat ebenfalls Erinnerung eingelegt und die Höhe der festgesetzten Verfahrensgebühr Nr. 3204 VV RVG sowie der ...

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