Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhe der einem Rechtsanwalt für ein sozialgerichtliches Verfahren aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren

 

Orientierungssatz

1. Bei einem deutlich unterdurchschnittlichen Umfang und einer unterdurchschnittlichen Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, unterdurchschnittlichen Einkommensverhältnissen des Klägers und einem zu berücksichtigenden Synergieeffekt ist die Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG in der Höhe von 1/2 der Mittelgebühr festzusetzen.

2. Die Dauer eines Gerichtstermins von 32 Minuten ist durchschnittlich. Bei deutlich unterdurchschnittlichem Umfang und unterdurchschnittlicher Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist die Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG in Höhe von 4/5 der Mittelgebühr festzusetzen.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 14. Januar 2016 (S 22 SF 867/12 E) aufgehoben und die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung des Beschwerdegegners für das Verfahren S 28 AS 3048/11 auf 319,53 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwalts-vergütung für das beim Sozialgericht Nordhausen anhängig gewesene Verfahren S 28 AS 3048/11 in dem der Beschwerdegegner den Kläger vertrat.

Gegenstand der am 30. März 2011 erhobenen Klage waren die Verletzung des Rechts auf Gewährung von Akteneinsicht durch die Beklagte, die Abänderung der Kostenentscheidungen in den Widerspruchsbescheiden (W 612/11und W 613/11), die Notwendigkeit der Hinzuziehung des Beschwerdegegners in den Widerspruchsverfahren und die Aufhebung des Aufhebungsbescheides vom 20. Juli 2010 (Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab dem 1. Juli 2010 wegen Wegfalls der Hilfebedürftigkeit) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2011 (W 613/11). Der Kläger habe bezüglich des Änderungsbescheides vom 9. Juni 2010 (Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB II≫ für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August 2010) einen Überprüfungsantrag gestellt, der mit Bescheid vom 29. Dezember 2010 abschlägig beschieden worden sei. Der Widerspruch hiergegen sei mit Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2011 (W 612/11) zurückgewiesen worden. Der Bescheid der Beklagten vom 9. Juni 2010 sei durch Aufhebungsbescheid vom 20. Juli 2010 mit Wirkung vom 1. Juli 2010 aufgehoben worden. Der hiergegen erhobene Widerspruch sei zurückgewiesen worden (W 613/11). Die Bescheide vom 9. Juni und 20. Juli 2010 seien zumindest formell rechtswidrig, weil entgegen der Regelung des § 35 Abs. 1 Satz 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht ersichtlich gewesen sei, wie sich der bewilligten Mehrbedarf errechnet habe bzw. die wesentlichen tatsächlichen Gründe für die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen nicht mitgeteilt worden seien. Soweit die formelle Rechtswidrigkeit während des Widerspruchsverfahrens geheilt worden sei, müsse die Beklagte dem Grunde nach auch die vollen zur Rechtsverfolgung entstandenen Kosten tragen. Schließlich sei die Ablehnung der beantragten Akteneinsicht rechtswidrig. Hierdurch habe nicht hinreichend geprüft werden können, ob die angegriffene Entscheidung rechtmäßig erfolgt sei oder nicht. Mit Beschluss vom 27. Februar 2012 bewilligte das SG dem Kläger Prozesskostenhilfe (PKH) und ordnete den Beschwerdegegner bei. In dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 26. Januar 2012, der von 10:19 Uhr bis 13:30 Uhr dauerte und in dem weitere fünf anhängige Rechtsstreitigkeiten des Klägers verhandelt wurden, nahm der Kläger die Klage nach Hinweisen des Vorsitzenden zurück.

Am 2. April 2012 beantragte der Beschwerdegegner die Festsetzung folgender Gebühren aus der Staatskasse:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG

325,00 Euro

Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG

 200,00 Euro

Fahrkosten und Abwesenheitsgeld Vorb. Nr. 7 VV-RVG

 6,35 Euro

Post- und Telekommunikationsentgelt Nr. 7002 VV-RVG

20,00 Euro

Zwischensumme

515,35 Euro

USt Nr. 7008 VV RVG

 104,76 Euro

Summe 

656,11 Euro

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss (richtig: Vergütungsfestsetzungsbeschluss) vom 5. September 2012 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) den auszuzahlenden Betrag auf 248,13 Euro (Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG 85,00 Euro, Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 100,00 Euro, Auslagen/Pauschale Nr. 7008 VV-RVG 20,00 Euro, Fahrtkosten Nr. 7003 VV-RVG 1,67 Euro, Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV-RVG 1,84 Euro, Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG: 39,62 Euro) fest. Zur Begründung führte sie aus, hinsichtlich der Verfahrensgebühr werde die um 50 v.H. geminderte Mittelgebühr als angemessen erachtet. Die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger sei durchschnittlich, Umfang und Schwierigkeiten der anwaltlichen Tätigkeiten seien unterdurchschnittlich gewesen. Dies gelte auch für die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers. Hinsichtlich der Ter...

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