Entscheidungsstichwort (Thema)

Kriterien für die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühr im sozialgerichtlichen Verfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Gegenstand der Überprüfung der Kostenfestsetzung der Rechtsanwaltsgebühren ist im Beschwerdeverfahren die gesamte Kostenfestsetzung. Das gilt auch dann, wenn sich die Beschwerde nur gegen eine Teilgebühr richtet.

2. Wenn der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit weit unterdurchschnittlich war, ist die hälftige Mittelgebühr ausreichend.

 

Normenkette

RVG § 33 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 3, § 56 Abs. 2 Sätze 1-3; VV RVG Vorb. 3 Abs. 4 S. 1; VV RVG Nrn. 1008, 2302, 3102

 

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Meiningen vom 18. Oktober 2017 aufgehoben und die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung für das Verfahren S 15 AS 169/14 auf 566,25 Euro festgesetzt.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

 

Gründe

Die statthafte und zulässige Beschwerde (vgl. §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes - RVG) ist begründet. Vorab weist der Senat darauf hin, dass Gegenstand der Überprüfung die gesamte Kostenfestsetzung ist (Senatsbeschluss vom 1. November 2018 - L 1 SF 1358/17 B, juris Rn. 13 m.w.N.). Der Beschwerdeführer richtet sich jedoch ausschließlich gegen die festgesetzte Verfahrensgebühr. Anhaltspunkte dafür, dass die Vergütung des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Anrechnung der Geschäftsgebühr, der Terminsgebühr und der übrigen - dem Grunde und der Höhe nach - unstreitigen Gebühren als solche höher oder anders festzusetzen wäre, liegen nicht vor.

Dem Beschwerdegegner steht eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG nur in Höhe der hälftigen Mittelgebühr, also in Höhe von 150,00 Euro zu. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit war - wie auch das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat - weit unterdurchschnittlich; Anzahl und Umfang der Schriftsätze waren weit unterdurchschnittlich. Dieser Einschätzung des Sozialgerichts hat auch der Beschwerdegegner nicht widersprochen. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit war leicht unterdurchschnittlich. Schwierige Rechtsfragen waren nicht zu erörtern. Entscheidend war letztlich allein die Tatsachenfeststellung und -würdigung zum Vertrauensschutz. Dieser Einschätzung auch des Sozialgerichts, ist der Beschwerdegegner wiederum nicht entgegengetreten. Bezüglich der Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger ist das Sozialgericht angesichts der geltend gemachten Erstattungsforderung von über 2.000 Euro zutreffend von einer weit überdurchschnittlichen Bedeutung ausgegangen. Auch der Beschwerdeführer stimmt mit dieser Einschätzung überein. Ein besonderes Haftungsrisiko ist nicht erkennbar; die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger waren ausweislich der Erklärung zur Prozesskostenhilfe deutlich unterdurchschnittlich. Der weit unterdurchschnittliche Umfang der anwaltlichen Tätigkeit wird durch die weit überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger kompensiert. Mit der verbleibenden leicht unterdurchschnittlichen Schwierigkeit und den deutlich unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen ist eine Verfahrensgebühr in Höhe der hälftigen Mittelgebühr angemessen.

Auf die Verfahrensgebühr sind tatsächlich geleisteten Zahlungen zur Geschäftsgebühr Nr. 2302 VV RVG anzurechnen (Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV RVG; vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 1. November 2018 - L 1 SF 1358/17 B, juris). Dabei ist - wie das Sozialgericht zutreffend und auch vom Beschwerdegegner nicht beanstandet entschieden hat - nicht nur die tatsächlich gezahlte Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 VV RVG (hier: 150,00 Euro), sondern auch die gezahlte Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG (hier: 135,00 Euro) abzustellen. Nr. 1008 VV RVG stellt keine eigne Erhöhungsgebühr, sondern eine Erhöhung der (Verfahrens- und) Geschäftsgebühr dar. Die Summe von Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 VV RVG und etwaiger Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG ist die Geschäftsgebühr des jeweils konkreten Falles, die auch nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV RVG auf die Verfahrensgebühr angerechnet.

Damit errechnet sich die Vergütung des Beschwerdegegners wie folgt:

Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG

150,00 EUR

Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG

135,00 EUR

Hälftige Geschäftsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG

- 142,50 EUR

Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG

280,00 EUR

Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

Anteilige Fahrtkosten nach Nr. 7003 VV RVG

23,49 EUR

Anteilig Abwesenheitsgelder nach Nr. 7000 VV RVG

9,85 EUR

Zwischensumme

475,84 EUR

19 % Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG

90,41 EUR

Gesamt

566,25 EUR.

Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG). Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI13104483

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